Züngelnde Tieftaucher: Biologen haben Seeschlangen bei Tauchgängen in bis zu 245 Meter Meerestiefe beobachtet – ein neuer Rekord. Die Reptilien sind damit in die sogenannte Dämmerungszone des Ozeans vorgedrungen, in die nur noch wenig Licht gelangt. Dass die Tiere so tief tauchen können, ist eine echte Überraschung. Denn bisher galten sie als typische Bewohner der oberen Wasserschichten – auch weil sie zum Atmen regelmäßig an die Oberfläche kommen müssen.
Schlangen haben sich im Laufe der Evolution als enorm anpassungsfähig erwiesen: Die Reptilien kommen heute in so unterschiedlichen Lebensräumen wie heißen Wüsten, dichten Urwäldern und sogar im Meer vor. Die ans Leben im Wasser angepassten Seeschlangen (Hydrophiinae) bewohnen die tropischen Meeresregionen des Indischen und Pazifischen Ozeans und tummeln sich dort bevorzugt in Korallenriffen oder Seegraswiesen.
Bisher galten die marinen Reptilien als typische Bewohner der oberen Wasserschichten: „Die Schlangen müssen regelmäßig an die Oberfläche kommen, um Luft zu holen. Daher dachte man, dass sie höchstens bis in Tiefen zwischen 50 und 100 Metern vordringen“, erklärt Jenna Crowe-Riddell von der University of Adelaide in Australien. Die größte Tiefe, in der eine Seeschlange je beobachtet wurde, lag bisher bei 133 Metern.
In der Dämmerungszone
Nun aber zeigt sich: Die Meeresbewohner tauchen mitunter noch weitaus tiefer. Vor der australischen Küste hat ein Unterwasserroboter gleich zwei Schlangen in ungeahnten Gefilden gefilmt, wie Crowe-Riddell und ihre Kollegen berichten. Das eine Tier schwamm in einer Tiefe von 239 Metern vor die Kamera. Das andere war sogar in 245 Meter Tiefe unterwegs – ein neuer Tauchrekord.
Damit sind diese beiden Exemplare in die mesopelagische Zone des Ozeans vorgedrungen. Dieser kalte Bereich zwischen 200 und 1.000 Meter Wassertiefe markiert den Übergang zwischen hell und dunkel und wird daher oft als Dämmerungszone bezeichnet. „Wir wussten zwar, dass Seeschlangen der Taucherkrankheit vorbeugen können, indem sie Gasaustausch über ihre Haut betreiben“, sagt Crowe-Riddell. „Ich hätte aber nie vermutet, dass diese Fähigkeit den Reptilien erlaubt, bis in Tiefsee-Habitate abzutauchen.“
Nahrungssuche in der Tiefe?
Dass die Schlangen dies können und auch tun, wirft den Wissenschaftlern zufolge neue Fragen zur Ökologie und Biologie dieser Tiere auf – zum Beispiel zu ihrer Temperaturtoleranz und ihrem Jagdverhalten. „Die Aufnahmen zeigen eine der Schlangen, wie sie ihren Kopf in Löcher im Sand steckt und offenbar nach Nahrung sucht. Wir wissen aber nicht, welche Art von Fischen sie frisst und wie sie potenzielle Beute in der Dunkelheit überhaupt wahrnimmt“, berichtet Crowe-Riddell.
Noch ist selbst unklar, um welche Spezies es sich bei den Rekordtauchern genau handelt. Beide Schlangen scheinen aber derselben Art anzugehören, wie das Team erklärt. (Australian Ecology, 2019; doi: 10.1111/aec.12717)
Quelle: University of Adelaide