Ein Kopf mit Beinen: Nach Jahrhunderten des Rätselns haben Biologen nun erstmals herausgefunden, wo der Kopf eines Seesterns sitzt. Die überraschende Antwort: überall. Genomanalysen zufolge sind Seesterne im Prinzip nichts anderes als wandelnde Köpfe ohne Rumpf. Selbst in ihren Armen finden sich fast nur Gensignaturen, die mit der Entwicklung eines Kopfes in Verbindung stehen. Diese ungewöhnliche Anpassung könnte sich schon sehr früh im Stammbaum der Stachelhäuter entwickelt haben, wie die Forschenden in „Nature“ berichten.
Wenn wir einen Hund, einen Fisch oder eine Schnecke betrachten, ist direkt klar, wo vorne und wo hinten ist. Bei Stachelhäutern wie Seesternen und Seeigeln ist es hingegen praktisch unmöglich, Kopf und Rumpf äußerlich voneinander zu unterscheiden. Biologen rätseln daher schon seit Jahrhunderten, wo der Seestern seinen Kopf haben könnte, und haben sich zum Teil darauf geeinigt, dass er vielleicht sogar gar keinen besitzt.

Eine Genomkarte für mehr Klarheit
Bedenkt man, dass Seesterne auch sonst aus der Reihe tanzen, indem sie zum Beispiel weder Blut noch Hirn besitzen und ihren Magen zum Fressen nach außen stülpen, wäre es nicht verwunderlich, ihnen darüber hinaus auch noch Kopflosigkeit zu attestieren. Für Forschende um Laurent Formery von der Stanford University war diese Antwort jedoch nicht befriedigend. Sie wollten ein für alle Mal klären, wo beim Seestern der Kopf aufhört und wo der Körper anfängt. Und da sich das äußerlich nicht feststellen lässt, setzten sie dafür auf spezielle Genanalyse-Techniken.
Konkret konnten sie mithilfe der sogenannten RNA-Tomografie herausfinden, wo im Körper von Fledermaus-Seesternen (Patiria miniata) typische Kopf- und Rumpfgene aktiv sind. Indem sie diese Informationen zusammensetzten, gelang es Formery und seinen Kollegen schließlich, aus ihnen eine dreidimensionale Körperkarte der Genexpression zu erstellen. So konnten sie zum ersten Mal auf einen Blick erkennen, wo beim Seestern die anatomischen Äquivalente zu Kopf und Rumpf sitzen.