Mikrobiologie

Sehr klein, jedoch sehr bedeutend

Rhizobium ist Mikrobe des Jahres 2015

Knöllchenbakterien in der Wurzel von Schneckenklee (Medicago truncatula) vier Wochen nach Infektion mit Sinorhizobium meliloti. © Ulrike Mathesius, Canberra, Australien

Unsichtbar, aber unverzichtbar: Erst die „Knöllchenbakterien“ an den Wurzeln verhelfen vielen Pflanzen von der Bohne bis zum Klee zum Wachstum. Rhizobien, so ihr wissenschaftlicher Name, bilden mit ihnen eine Symbiose und liefern das für das Wachstum notwendige Ammonium. Sie erleichtern so den Anbau verschiedener Nutzpflanzen und stellen einen natürlichen Ersatz zu Kunstdünger dar. Daher sind sie nun zur Mikrobe des Jahres 2015 ernannt worden.

Stickstoff kommt in verschiedenen Verbindungen in Luft, Erde und Wasser vor und ist sowohl für den Menschen als auch für Pflanzen überlebenswichtig. Mit 78 Prozent ist molekularer Stickstoff (N2) der Hauptbestandteil der Luft, kann jedoch in dieser Form von den Pflanzen nicht aufgenommen werden.

Pflanze und Bakterium: eine win-win-Situation

Hier kommen die Mikroben ins Spiel, die an der Wurzel von Hülsenfrüchtlern leben. Sie fixieren den Luftstickstoff und setzen ihn in eine Form um, die für die Pflanze verwertbar ist – Ammonium. Im Gegentausch erhalten die Bakterien Nährstoffe von der Pflanze und bilden so mit ihr eine symbiotische Beziehung.

Vor schätzungsweise 100 Millionen Jahren entwickelte sich diese faszinierende Zusammenarbeit zwischen Pflanzen und Bakterien. Normalerweise versuchen Pflanzen, das Eindringen von Bakterien zu verhindern. Doch hier entstand ein komplexes Kommunikationssystem, mit dem sich Pflanzen und Bakterien so verständigen, dass ein Zusammenleben zum beiderseitigen Nutzen gelingt: Die Bakterien können sich geschützt vermehren und mit Nährstoffen über die Pflanze versorgen lassen; die Pflanze kann karge Böden besiedeln.

Keine Vielfalt ohne sie

Hülsenfrüchtler wie Rotklee, Lupine und Ackerbohne sind daher als Gründüngung die Grundlage für eine hohe Bodenqualität – weil Rhizobien die Stickstoffbindung sicherstellen. Nach Schätzungen binden Bakterien jährlich 170 Millionen Tonnen Stickstoff im Boden und in Pflanzen, davon etwa ein Viertel auf Agrarflächen. Kein Wunder also, dass diese Zusammenarbeit auch heute noch von hoher ökologischer und wirtschaftlicher Bedeutung ist.

Wurzelknöllchen am Rotklee © Harald Engelhardt, Martinsried

So sichert sie die pflanzliche Vielfalt vom Hasenklee bis zu Bäumen wie Akazie, Johannisbrot und Palisander, aber auch unsere Ernährung mit Gemüse sowie die Futtermittelproduktion. So wäre die weltweite Produktion von über 250 Millionen Tonnen Soja im Wert von 50 Milliarden US-Dollar nicht denkbar ohne Knöllchenbakterien: Schon das Saatgut wird mit dem verwandten Bakterium Bradyrhizobium beimpft, um das Wachstum der Soja-Pflanzen sicherzustellen.

Kunstdünger: von der Natur abgeguckt

Auch Kunstdünger tut im Grunde nichts anderes, als die Leistung der Knöllchenbakterien nachzuahmen – die Umwandlung von Luftstickstoff in eine Stickstoffform, die die Pflanze aufnehmen kann. Vor gut 100 Jahren entwickelten Fritz Haber und Carl Bosch das Haber-Bosch-Verfahren, mit dem Luftstickstoff in Ammoniak umgesetzt und so Kunstdünger gebildet werden kann. Mit Hilfe dieses Verfahrens wird ein Großteil der Weltbevölkerung ernährt. Doch neben den negativen Einflüssen von Kunstdünger auf die Umwelt, ist der Energiebedarf für dieses Verfahren extrem hoch und liegt etwa bei 1,4 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs.

Aus diesem Grund widmen sich Forscher der Aufgabe Rhizobien auf andere Pflanzenarten wie Getreide zu übertragen. Hierfür muss die Getreidepflanze die „Sprache“ der Knöllchenbakterien verstehen, um eine Kommunikation für eine symbiontische Beziehung zu gewährleisten.

Mikrobe des Jahres 2015

Aufgrund ihrer Bedeutung ist Rhizobium nun zur Mikrobe des Jahres 2015 ernannt worden. Mikrobiologen der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) wählen sie aus, um auf die Vielfalt der mikrobiologischen Welt hinzuweisen. Während in der Bevölkerung Mikroorganismen vor allem als Krankheitsauslöser bekannt sind, spielen Mikroorganismen eine weit bedeutsamere Rolle für die Ökologie, Gesundheit, Ernährung und Wirtschaft, worauf die die Mikrobe des Jahres hinweisen soll.

(Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e.V., 10.02.2015 – MAH)

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