Genetik

Sex: Beim „ersten Mal“ mischen die Gene mit

Forscher finden 38 Genvarianten, die einen frühen ersten Sex fördern könnten

Wann wir das erste Mal Sex haben, wird auch ein wenig von unseren Genen mitbestimmt. © Shironosov/ iStock.com

Wann wir unser „erstes Mal“ erleben, hängt auch von unseren Genen ab – und nicht nur sozialen und kulturellen Umständen. Denn Forscher haben 38 Genvarianten in unserem Erbgut identifiziert, die einen frühen ersten Sex zumindest fördern könnten. Sie bestimmen wahrscheinlich mit, wie körperlich reif, risikofreudig und leicht erregbar wir sind. Der genetische Anteil könnte beim ersten Sex immerhin rund 28 Prozent ausmachen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Genetics“ berichten.

Sex ist ein tief in unserer Natur verwurzelter Trieb – und muss es auch sein. Schließlich wäre die Menschheit ohne die Lust am Sex längst ausgestorben. Aber wann ein junger Mann oder eine junge Frau das „erste Mal“ erlebt, ist sehr unterschiedlich und stark von den Umständen, dem sozialen Umfeld und der herrschenden Moral bestimmt. Studien zeigen, dass unter anderem soziale Benachteiligung, instabile Familienverhältnisse, wenig elterliche Fürsorge und das Fehlen religiösen Glaubens einen frühen ersten Sex fördern.

Aber ist das wirklich alles? Gibt es nicht auch biologische Faktoren, die mitentscheiden, wann ein Jugendlicher sich reif genug fühlt, um zum ersten Mal Geschlechtsverkehr zu haben? Immerhin hat sich beispielsweise der Eintritt der Pubertät in den letzten Jahrzehnten immer weiter nach vorne verschoben.

Gene von zehntausenden Männern und Frauen

Bisher blieb der Zusammenhang von körperlichen oder gar genetischen Faktoren und dem ersten Sex weitgehend unbeachtet, wie Felix Day von der University of Cambridge und seine Kollegen erklären. Sie haben nun erstmals im Erbgut systematisch nach genetischen Veranlagungen gefahndet, die ein besonders frühes oder spätes erstes Mal fördern könnten.

Für ihre Studie analysierten die Forscher die in der britischen Biobank gespeicherten Gen-Daten von knapp 60.000 Männern und gut 66.000 Frauen zwischen 40 und 69 Jahren. Die Wissenschaftler untersuchten, ob bestimmte Genvarianten bei den Männern und Frauen besonders häufig vorkamen, die sehr früh oder aber sehr spät ihren ersten Sex hatten. Dabei verglichen sie jeweils Teilnehmer aus ähnlichen sozialen und familiären Verhältnissen, um einen Einfluss dieser Faktoren zu minimieren.

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38 Genvarianten mischen mit

Und tatsächlich: Die Wissenschaftler identifizierten 38 Genvarianten, die mit einem besonders frühen ersten Sex verknüpft zu sein scheinen. Den statistischen Auswertungen nach könnte der Einfluss dieser Gene zusammen immerhin bei rund 28 Prozent liegen. Um ihr Ergebnis zu überprüfen, suchten die Forscher anschließend auch in zwei weiteren Gendatenbanken mit insgesamt gut 260.000 Teilnehmern nach ähnlichen Korrelationen – und fanden sie.

„Auch wenn soziale und kulturelle Faktoren eindeutig relevant sind, zeigen unsere Daten, dass das Alter beim ersten Sex auch durch Gene beeinflusst wird“, sagt Seniorautor John Perry von der University of Cambridge. Unsere Veranlagung spielt demnach zum einen eine Rolle dafür, wann unsere Pubertät einsetzt. Zum anderen aber scheinen einige Genvarianten auch bestimmte Persönlichkeitszüge zu fördern, die einen frühen Sex wahrscheinlicher machen.

Einfluss auf Risikofreudigkeit und Temperament

Zwar kann diese Art der Studie keinen kausalen Zusammenhang beweisen, dennoch spricht einiges dafür, wie Day und seine Kollegen betonen. So liegen viele der neu identifizierten Genvarianten in Teilen des Erbguts, die eng mit der Gehirnentwicklung verbunden sind. Das legt nahe, dass sie auch Verhalten und Persönlichkeit prägen könnten.

„Ein Beispiel ist die eine Genvariante von CADM2, einem Gen, das die Verknüpfung zwischen den Gehirnzellen und die Hirnaktivität beeinflusst“, erklärt Perry. „Wir haben festgestellt, dass diese Variante eine risikofreudige Persönlichkeit fördert – und ein jüngeres Alter beim ersten Sex.“ Andere Genvarianten stehen im Verdacht, ein leicht erregbares Temperament zu fördern oder die Verhaltenskontrolle zu schwächen.

Nach Ansicht der Forscher kann es daher sinnvoll sein, diesen möglichen Einfluss der Veranlagung auf Persönlichkeit, die körperliche Reife und den ersten Sex bei der Aufklärung und in der Gesundheitsfürsorge zu berücksichtigen. (Nature Genetics, 2016; doi: 10.1038/ng.3551)

(Nature, 19.04.2016 – NPO)

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