Die Reifung des Gehirns ungeborener Babys wird durch einen „Schubs“ von der Mutter angestoßen. Ein Eiweißbotenstoff aus dem mütterlichen Blut gelangt über die Plazenta in den Embryo und regt dort die Nervenzellen des Gehirns zum Wachstum und zur Verschaltung an. Diesen Signalweg haben Forscher jetzt im Detail untersucht und die Moleküle im Gehirn des Embryos identifiziert, die mit dem mütterlichen Botenstoff interagieren. Ihre Arbeit ist in der aktuellen Ausgabe des Journal of Biological Chemistry veröffentlicht.
Bereits in früheren Arbeiten gelang es Wissenschaftlern der Universität Bochum um Petra Wahle, Professorin für Entwicklungsneurobiologie und Kollegen von den Universitäten Magdeburg und Münster, einen kleinen Peptid-Botenstoff, das „survival promoting peptide / Y-P30″ zu isolieren. Dieser spielt eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung des Gehirns von Embryonen und Neugeborenen. Y-P30 verbessert das Überleben von Nervenzellen des Zwischenhirns und fördert die Bildung von Zellausläufern von Nervenzellen aus dem Kleinhirn und dem Thalamus.
„Interessanterweise wird Y-P30 nicht im reifenden Gehirn selbst synthetisiert“, erklärt Wahle. „Vielmehr wird es während der Schwangerschaft von bestimmten Immunzellen im Blut der Mutter gebildet, gelangt von dort über die Plazenta in den Embryo und reichert sich unter anderem in Neuronen der Großhirnrinde an.“ Die Wissenschaftler konnten das Peptid im Gehirn von Föten und Neugeborenen der Ratte, der Maus und des Menschen nachweisen.
Rezeptoren identifziert
Um die biologische Rolle des Botenstoffs zu untersuchen und seine Wirkmechanismen aufzuklären, war es danach von zentralem Interesse, mögliche Rezeptoren für Y-P30 zu finden. Jetzt gelang die Identifizierung von Molekülen, die mit Y-P30 interagieren. Es handelt sich zum einen um Pleiotrophin, ein Protein des Extrazellulärraums. Des Weiteren interagieren die so genannten Syndecane, Proteine der Zelloberfläche. Für beide Bindepartner war bereits bekannt, dass sie das Nervenzellwachstum fördern können.
Signalkomplex wirkt
Die Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass Y-P30 die Bildung des Signalkomplexes aus Pleiotrophin und Syndecanen fördert und den Komplex stabilisiert. Die Signalgebung in die Nervenzellen wird verstärkt und fördert das Wachstum der Zellfortsätze. In parallel laufenden Arbeiten der Bochumer Wissenschaftler Prof. Petra Wahle und Suvarna Wagh konnte eine direkte Wirkung des Y-P30 Peptids auf das Wachstum von Axonen (Nervenzellfortsätzen) gezeigt werden.
Der Signal-Rezeptor-Komplex aus Y-P30, Pleiotrophin und Syndecan scheint somit die Entwicklung der axonalen Projektionsbahnen und der Verschaltung des Gehirns zu fördern.
(Ruhr-Universität Bochum, 11.09.2008 – NPO)