Ein internationales Forscherteam hat das Erbgut eines ersten Singvogels, des autralischen Zebrafinken, entschlüsselt. Die jetzt in „Nature“ erschienenen Ergebnisse enthüllen, dass allein für das Lernen des Gesangs 800 Gene aktiv sind. Außerdem ermöglichen sie auch Einblicke in die grundsätzlichen Mechanismen des Erlernens von Sprache und Kommunikation.
Für Fragen, die an Mäusen schlecht oder gar nicht beantwortet werden können, ist der Zebrafink seit zwei Jahrzehnten ein beliebtes Modellsystem: Wie lernen Vögel singen? Welche Parallelen existieren zum Spracherwerb bei Kleinkindern? Wie unterscheiden sich weibliche und männliche Gehirne? Warum braucht ein erwachsenes Gehirn neue Nervenzellen? Jetzt hat ein internationales Projekt unter Beteiligung von 20 internationalen Instituten erstmals das Genom des Zebrafinken dekodiert. Diese Arbeit, an der auch haben Biologen der Freien Universität Berlin sowie Bioinformatiker und Genomexperten des Max-Planck-Instituts für Molekulare Genetik beteiligt waren, macht es zukünftig möglich, derartige Fragen schneller zu beantworten.
Zweite Vogelart und erster Singvogel
Der Zebrafink ist nach dem Huhn erst die zweite Vogelart, deren Genom entschlüsselt wurde. Da Hühner sich nicht gerade durch ein ausgefeiltes akustisches Kommunizieren auszeichnen, gibt erst die Sequenzierung der ersten Singvogel-DNA wichtige Einblicke in die Mechanismen dieser Kommunikation und in die speziellen Schaltkreise für das Gesangslernen. Die Forscher fanden unter anderem heraus, dass das Vogel-Gehirn die Information von zehntausend Genen aktiv benutzt, das ist mehr als die Hälfte des gesamten Genoms.
800 Gene allein beim Gesangslernen aktiv
„Das System des Singens ist sehr viel komplexer als wir angenommen hatten“, erklärt Erich Jarvis, Professor für Neurobiologie an der Duke Universität. Der Wissenschaftler verglich, wie sich die Aktivität dieser Gene im Gehirn junger Vögel, die gerade den Gesang lernen, von der alter Vögel unterscheidet, die keine neuen Gesänge mehr lernen. „In dem Teil des Gehirns, das das Gesangslernen steuert, werden rund fünf Prozent der Genaktivität durch das Singen kontrolliert“, so Jarvis. „Ich dachte das können höchstens 100 Gene sein, aber unser Labor entdeckte, dass es mindestens 800 sind, die an- und abgeschaltet werden und es könnten sogar noch viel mehr sein.“
Aufschluss auch über das Lernen von Sprache beim Menschen
Die Ergebnisse könnten ebenfalls Aufschluss darüber geben, wie Menschen zu sprechen lernen. „Insgesamt wird das Genom Wissenschaftlern weltweit helfen, mehr über die Gene zu erfahren, die für die Entwicklung der neuronalen Schaltkreise des Lernens verantwortlich sind und auch über den Einfluss von Hormonen auf unser Gehirn und Verhalten“, so Jarvis weiter. „Auch über geschlechtsbedingte Unterschiede im Gehirn kann das mehr Aufschluss geben. Denn bei den Zebrafinken entwickeln sich die Gesangslern-Regionen im Gehirn der Weibchen während des Heranwachsens zurück und schrumpfen sogar.“
Und auch andere Übertragungen auf die Humanbiologie werden möglich: So trägt es beispielsweise auch dazu bei, menschliche Erbkrankheiten zu verstehen: Eine solche Krankheit, die zu Sprachstörungen bei Menschen führt, wird beispielsweise durch Mutationen im sogenannten FOXP2 Gen verursacht – bei Zebrafinken ist das gleiche Gen daran beteiligt, Gesangslernen zu ermöglichen.
(Duke University, Freie Universität Berlin, 07.04.2010 – NPO)