Besondere Bindung: Forscher könnten herausgefunden haben, wo mütterliches Verhalten im Gehirn entsteht. Sie identifizierten bei Mäusen eine Region im Hypothalamus, die sich bei Männchen und Weibchen deutlich voneinander unterscheidet. Nur weibliche Tiere verfügen dort über Hirnzellen, die für den Botenstoff Oxytocin sensibel sind. Dieses „Kuschelhormon“ ist bekannt für seine Rolle bei der Mutter-Kind-Bindung.
Oxytocin gilt als Botenstoff mit breitem Wirkspektrum: Die auch als Kuschelhormon bekannte Substanz stärkt unter anderem die Paarbeziehung, wirkt als rosa Brille und hilft bei der Bewältigung von Ängsten. Vor allem aber spielt Oxytocin eine wichtige Rolle für Mütter. Denn das im Gehirn produzierte Hormon löst die Muskelkontraktion bei den Wehen aus, sorgt für den Milcheinschuss und stärkt nach der Geburt die Bindung zum Kind.
Aufgrund dieser besonderen Bedeutung des Neuropeptids für das weibliche Geschlecht vermuten Forscher schon länger, dass sich das Oxytocin-System im Gehirn von Frauen und Männern unterscheidet. „Bisher gab es jedoch keine eindeutigen Belege für diese Annahme“, erklärt Ryoichi Teruyama von der Louisiana State University.
Blick ins Mäusehirn
Um dies zu ändern, haben sich der Forscher und seine Kollegen um Erstautor Kaustubh Sharma nun auf Spurensuche im Denkorgan von Mäusen begeben. Oxytocin entfaltet seine Wirkung, indem es im Gehirn an spezielle Rezeptoren bindet. Für ihre Studie schauten sich die Wissenschaftler daher an, ob diese Oxytocin-Rezeptoren bei männlichen und weiblichen Nagern unterschiedlich verteilt sind.
Mithilfe von Fluoreszenzproteinen dokumentierten sie dabei die genaue Position und Anzahl der Rezeptoren in der sogenannten Area praeoptica (POA) – einer Region im Hypothalamus, die eine Vielzahl wichtiger Körperfunktionen steuert. Auch am weiblichen Zyklus und an mütterlichem Verhalten scheint dieser Hirnbereich beteiligt zu sein.
Oxytocin-Rezeptoren nur bei Weibchen
Die Ergebnisse enthüllten: Vor allem in der mittleren POA war die Anzahl der Oxytocin-Rezeptoren bei den weiblichen Mäusen signifikant größer als bei den männlichen. Diese Differenz kam durch einen frappierenden Unterschied in einem speziellen Gebiet innerhalb dieser Region zustande, wie das Forscherteam berichtet: dem Nucleus periventricularis anteroventralis, kurz AVPV.
Während Mäuseweibchen über zahlreiche Neuronen mit Oxytocin-Rezeptoren im AVPV verfügten, kamen solche Hirnzellen bei den Männchen dort so gut wie gar nicht vor. „Die Präsenz von Oxytocin-Rezeptor-Neuronen im AVPV ist ein fast ausschließlich weibliches Phänomen“, berichten die Wissenschaftler.
Abhängig von Östrogen
Interessanterweise offenbarte sich, dass diese Zellen zusätzlich Rezeptoren für das weibliche Geschlechtshormon Östrogen besaßen. Welche Rolle spielte dieser Botenstoff für das Oxytocin-System? Dies untersuchten die Forscher, indem sie einigen weiblichen Nagern die Eierstöcke entfernten – dort werden die Östrogene hauptsächlich produziert.
Es zeigte sich: In Abwesenheit der weiblichen Sexualhormone bildeten die Neuronen im AVPV auch keine Oxytocin-Rezeptoren mehr. Bekamen die Mäusedamen die fehlenden Hormone dagegen künstlich verabreicht, änderte sich dies. Die Expression der Oxytocin-Rezeptoren war wiederhergestellt.
Rolle für den Mutterinstinkt
„Diese Ergebnisse belegen, dass die Expression von Oxytocin-Rezeptoren im AVPV spezifisch weiblich ist und von Östrogen abhängt“, fassen Teruyama und seine Kollegen zusammen. Ihrer Ansicht nach scheint damit klar: Die auf Oxytocin reagierenden Neuronen in dieser Region des Hypothalamus spielen eine wichtige Rolle für die weibliche Physiologie und das weibliche Verhalten – allen voran den Mutterinstinkt.
„Dieser Zusammenhang könnte nicht nur für Mäuse gelten, sondern für alle Säugetiere, die mütterliche Fürsorge zeigen, einschließlich uns Menschen“, konstatiert Teruyama. Weitere Studien müssen nun jedoch erst zeigen, welche konkreten Funktionen die Oxytocin-Neuronen im AVPV tatsächlich erfüllen.
In diesem Zusammenhang könnte sich auch herausstellen, ob diese Zellen womöglich daran beteiligt sind, wenn sich mütterliche Instinkte nicht einstellen wollen – zum Beispiel im Fall der postnatalen Depression. (PLOS One, 2019; doi: 10.1371/journal.pone.0219784)
Quelle: Louisiana State University