Sturmerprobte Tiere: Mit einem kuriosen Experiment haben Biologen bewiesen, dass auch bei Hurrikans die natürliche Selektion am Werk ist. Sie steckten in der Karibik heimische Echsen in den Windkanal und stellten fest: Je größer die Zehenpolster und je länger die Vorderbeine, desto besser können sich die Tiere unter stürmischen Bedingungen festklammern. Tatsächlich hatten nach den verheerenden Karibikstürmen Irma und Maria vorwiegend Echsen mit diesen anatomischen Vorteilen überlebt.
Die kleine Echse klammert sich mühsam an dem künstlichen Ast fest, während ein Hurrikan-starker Wind auf sie einbläst. Wild wird ihr Körper hin und her gewirbelt. Doch die Echse lässt nicht los – sie ist bereits sturmerprobt. Das Tier ist eines von vielen, mit denen Biologen um Colin Donihue von der Harvard University in Cambridge ein kurioses Experiment durchgeführt haben.
Stürme bringen Veränderung
Sie steckten auf den Karibikinseln Water Cay und Pine Cay heimische Bahamaanolis (Anolis scriptus) in den Windkanal und testeten, wie gut diese Echsen aus der Gruppe der Leguanartigen den enormen Kräften standhalten konnten. Der Sinn dahinter: Die Wissenschaftler hatten beobachtet, dass sich die Populationen der Tiere nach den verheerenden Hurrikans Irma und Maria im vergangenen Jahr sichtbar verändert hatten.
Im Vergleich zu vor den Stürmen bestanden die Echsengemeinschaften nun aus deutlich mehr Tieren, die besonders große Zehenpolster, lange Vorderbeine und kurze Hinterbeine hatten. Die durchschnittliche Größe dieser anatomischen Merkmale hatte sich signifikant gewandelt. Was steckte dahinter?
Klammerprofis überleben
Die Experimente zeigten: Offenbar hatten diejenigen Echsen überlebt, die dem Wind aufgrund ihrer Anatomie am besten trotzen konnten. Denn je größer ihre Zehenpolster, desto besser konnten sich die Tiere unter den stürmischen Bedingungen an astähnlichen Gegenständen festklammern. Die Kraft, mit der sie sich festhalten konnten, war proportional zur Größe dieser anatomischen Struktur.
Auch längere Vorderbeine gewährleisteten demnach einen besseren Halt. Längere Hinterbeine schienen dagegen eher kontraproduktiv zu sein. So hielten sich die Echsen im Test vorwiegend mit ihren Vorderbeinen fest, während der Rest ihres Körpers vom Wind hin und her geschleudert wurde. Lange Hinterbeine würden demnach die Oberfläche vergrößern, die dem Wind ausgesetzt ist – und somit das Festhalten erschweren.
„Nicht willkürlich“
„Damit beweisen wir, dass Hurrikans phänotypische Veränderungen in einer Population herbeiführen können – und dass dabei aller Wahrscheinlichkeit nach die natürliche Selektion am Werk ist“, konstatiert das Forscherteam. Selbst in solchen Ausnahmesituationen läuft das Sterben in der Natur demzufolge nach bestimmten Mustern ab.
„Die Zerstörung ist nicht willkürlich“, schreiben Donihue und seine Kollegen. Gerade weil Wirbelstürme wie Irma durch den Klimawandel zunehmen werden, sei es wichtig, solche evolutionären Dynamiken in Zukunft genauer zu erforschen. Ihre tierischen Probanden haben die stürmischen Tests übrigens allesamt schadlos überstanden. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0352-3)
(Nature Press, 27.07.2018 – DAL)