Kleinste Verschiebungen beim Sonnenauf- und -untergang am Äquator verraten einem kleinen Singvogel die Jahreszeit. Obwohl sich diese Himmelsereignisse in den Tropen nur um eine halbe Stunde im Jahresverlauf verschieben, reicht dies dem Afrikanischen Schwarzkehlchen aus, um damit den besten Zeitpunkt für seine Brut und Mauser zu bestimmen. Das haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen gemeinsam mit Kollegen aus Großbritannien und den USA herausgefunden. Zum ersten Mal habe man damit nachgewiesen, dass ein tropisches Tier diese subtilen himmlischen Zeitgeber erkennen und nutzen könne, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences“. Es sei sehr wahrscheinlich, dass auch andere Tiere und Pflanzen entlang des Äquators mit Hilfe dieser Sonnensignale ihre innere Uhr dem Jahresverlauf anpassen.
In unseren Breiten orientieren sich zahlreiche Tiere und Pflanzen an der Tageslänge und der Temperatur, um ihre Aktivität an die Jahreszeiten anzupassen. „Für viele Vögel ist diese Synchronisation entscheidend, um den richtigen Zeitpunkt für wichtige Lebensphasen wie Wanderung, Brutzeiten oder die Mauser zu bestimmen“, erklären Wolfgang Goymann vom MPI für Ornithologie und seine Kollegen. In den Tropen jedoch sind die Tage das ganze Jahr über nahezu gleich lang, es bleibt immer rund zwölf Stunden hell und zwölf dunkel. „Trotzdem zeigen auch in diesen Regionen viele Tiere strikte jährliche Zyklen, beispielsweise bei der Brut“, sagen die Forscher. Woran sie sich dabei orientieren, sei bisher unbekannt gewesen.
Kenianische Schwarzkehlchen als Testobjekte
Mit einem Experiment an Afrikanischen Schwarzkehlchen haben die Wissenschaftler dieses Rätsel nun gelöst. Diese etwa zwölf Zentimeter langen Singvögel sind mit den in Europa heimischen Schwarzkehlchen eng verwandt. In Kenia brüten sie nur zwischen März und Juni und beginnen anschließend mit der Mauser. Um herauszufinden, woher diese Vögel erkennen, wann die richtige Zeit gekommen ist, hielten die Forscher vier Gruppen von Afrikanischen Schwarzkehlchen drei Jahre lang in speziellen Käfigen im Institut in Seewiesen. Diese waren vollständig gegen das Tageslicht und Temperaturschwankungen abgeschirmt.
Eine Vogelgruppe hielten die Forscher im Dauerlicht. Im zweiten Käfig simulierten sie die leichten Verschiebungen des tropischen Sonnenauf- und -untergangs, pro Woche veränderten sich diese Zeiten maximal um drei Minuten. Bei einer dritten Schwarzkehlchen-Gruppe verschoben sich die Sonnenzeiten ebenfalls, allerdings nicht im Verlauf von 12, sondern von 14 Monaten. Als Vergleich diente außerdem eine Gruppe, die unter den typischen wechselnden Tageslängen Europas gehalten wurde.
Zeitgleich in den Federwechsel
Das Ergebnis: Die Schwarzkehlchen, die unter den für ihre Heimat typischen Sonnenauf- und -untergangszeiten gehalten wurden, begannen in allen drei Jahren relativ synchron mit ihrem Federwechsel. „In Abwesenheit anderer Signale orientierten sich die Vögel – ähnlich wie im Freiland – an den subtilen Veränderungen ihres Sonnentages“, erklären die Forscher.
Die Schwarzkehlchen unter Dauerlicht begannen dagegen zu ganz unterschiedlichen Zeiten mit ihrer Mauser. Ihnen fehlte der äußere Zeitgeber, um dieses Verhalten zeitlich abzustimmen, wie die Forscher berichten. Ähnlich individuell reagierten auch die Vögel mit dem künstlich auf 14 Monate verlängerten Sonnenzyklus. Bei ihnen könne sich die innere Uhr offenbar nicht an diesen zu langen Rhythmus anpassen und gerate daher außer Tritt, vermuten die Wissenschaftler. (doi:10.1098/rspb.2012.0743)
(Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 30.05.2012 – NPO)