Traditionellerweise gilt die Verarbeitung von Sinnesreizen im Gehirn als fein säuberlich getrennt – für jeden Sinn ein eigener Bereich. Doch eine im Fachmagazion „BMC Neuroscience“ veröffentlichte Studie an Rhesusaffen hat dieses streng hierarchische Modell nun widerlegt. Denn in den Versuchen beschleunigte ein akustischer Reiz die Reaktion der primären Sehrinde auf ein optisches Signal.
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Die Verarbeitung von Sinnesreizen ist nach geltender Lehrmeinung hierarchisch: Bestimmte Gehirnbereiche erhalten ihre Signale aus den primären Sinneszentren in der Hirnrinde, dem Kortex, die jeweils nur für eine Wahrnehmungsart, wie Sehen, Riechen, Fühlen oder Hören, zuständig sind. Aber sind diese Signalwege tatsächlich so strikt getrennt? Ein französisches Forscherteam hat diese Annahme jetzt mit einem Experiment überprüft und Überraschendes herausgefunden.
Rhesusaffen als Versuchspersonen
„Wir haben nach Veränderungen der neuronalen Reaktionen in der primären Sehrinde auf optische Signale gesucht, die durch akustische Reize ausgelöst werden“, erklärt P. Barone vom Zentrum für Gehirnforschung in Toulouse. Die Forscher untersuchten die neuronalen Reaktionen von Rhesusaffen mithilfe von Mikroelektroden die die Aktivität in der primären Sehrinde registrierten. In dem Versuch wurden die Affen darauf trainiert, in Richtung eines optischen Reizes zu blicken. Die Forscher maßen dann die Zeit, die die Neuronen benötigten, um auf diesen Reiz zu reagieren. In einem zweiten Versuch wurde das optische Signal von einem Ton begleitet und ebenfalls die so genannte Latenz gemessen.
Ton beschleunigt Reaktion auf schwachen optischen Reiz
Es zeigte sich, dass bei einem starken optischen Reiz, wie beispielsweise bei hohem Kontrast zur Umgebung, der zusätzliche Ton die Reaktionszeit der Sehrinde kaum veränderte. Anders jedoch bei einem schwächeren, weniger kontrastreichen visuellen Stimulus. Dann beschleunigte der akustische Reiz die Reaktion des Gehirns auf den optischen um immerhin fünf bis zehn Prozent.
Keine absolute Trennung der Sinnesbereiche
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass einzelne Neuronen eines primären Wahrnehmungsbereichs im Gehirn auch Information aus einem anderen Sinnesbereich integrieren können”, so die Forscher. Ihrer Ansicht nach werden akustische Reize schneller verarbeitet als die visuellen und da die Affen gelernt hätten, Ton und Anblick zu assoziieren, sei der visuelle Kortex durch den Ton bereits darauf vorbereitet, das schwächere optische Signal zu registrieren. „Unsere Ergebnisse sprechen gegen ein strikt hierarchisches Modell der Sinnesverarbeitung im Gehirn“, so Barone. „Stattdessen sollte die Integration von mehreren Sinnen zur Liste der Funktionen des primären Serinde dazu gezählt werden.”
(BioMed Central, 12.08.2008 – NPO)