Überraschender Fund: Das gleiche Protein, das im Gehirn die Alzheimer-Krankheit auslöst, ist in der Spermienflüssigkeit des Mannes nützlich. Die klebrigen Amyloid-Fibrillen fangen dort unbrauchbare Spermien ab und sorgen so für eine Art „Qualitätssicherung“, wie Forscher herausgefunden haben. Dies verschafft den gesunden Spermien möglicherweise einen entscheidenden Vorteil im Kampf um die biologische Pole-Position beim Sperma-Rennen zur weiblichen Eizelle.
Von den Millionen Spermien, die sich zur Befruchtung auf den Weg zur Eizelle machen, hat nur eine einzige Erfolg: Nur wer als Erster am Ziel ankommt, hat die Chance, mit der Eizelle zu verschmelzen. Kein Wunder, dass die Samenzellen raffinierte Taktiken und Schwimmtechniken entwickelt haben, um den Weg durch Gebärmutter und Eileiter möglichst schnell zu überwinden.
Klebrige Fallen
Jetzt haben Forscher um Nadia Roan von der University of California in San Francisco eine weitere Anpassung von Spermien und Ejakulat an den Befruchtungserfolg entdeckt. Demnach enthält die Samenflüssigkeit klebrige Proteinfäden, die wie kleine Fallen unbrauchbare und beschädigte Spermien „einfangen“ und sie so aus dem Rennen nehmen.
Nähere Untersuchungen enthüllten, dass diese „Spermien-Fallen“ bestehen aus Amyloid-Fibrillen bestehen – und damit aus den fehlgefalteten Proteinen, die sich beispielweise bei der Alzheimer-Demenz im Gehirn ansammeln. „Mit unseren Ergebnissen konnten wir nachweisen, dass Amyloid-Fibrillen, die bislang nur als Auslöser von Krankheiten bekannt sind, auch wichtige biologische Funktionen im Organismus erfüllen können“, sagt Roans Kollege Warner Greene.
Selektion für beste Qualität
Offenbar dienen die Amyloid-Fibrillen in der Samenflüssigkeit dazu, eine hohe Qualität der verbliebenen Spermien zu sichern. „Wir konnten nachweisen, dass im Sperma vorkommende Amyloid-Fibrillen beschädigte und überflüssige Spermien an der Fortbewegung hindern“, erklärt Nathallie Sandi-Monroy von der Universität Ulm. „Die unbrauchbaren Samenzellen werden festgehalten und schließlich von den Fresszellen des Immunsystems verzehrt und somit beseitigt.“
Außerdem sorgen die Amyloid-Fibrillen offenbar dafür, dass überschüssiges Sperma, das für die Fortpflanzung nicht geeignet ist, oder nicht mehr gebraucht wird, schneller abgebaut werden kann. Denn für den weiblichen Organismus sind männliche Samenzellen vor allem eines: Fremdkörper und Eindringlinge mit hohem Antigen-Potential, die das Immunsystem herausfordern und daher nach dem Befruchtungsakt so schnell wie möglich zu beseitigen sind.
„Weil Amyloid-Fibrillen aber auf natürliche Weise im Sperma vorhanden sind, haben wir schon damit gerechnet, dass sie eine gewisse Rolle bei der Fortpflanzung spielen könnten“, sagen die Wissenschaftler. „Das konkrete Ergebnis hat uns dann allerdings doch sehr überrascht.“ (eLife, 2017; doi: 10.7554/eLife.24888.002
(Universität Ulm, 28.06.2017 – NPO)