Piranhas sind gefürchtete Räuber. Blitzschnell schießen sie vor und reißen mit ihren scharfen Zähnen ganze Fleischbrocken aus ihrer Beute. Doch es gibt einen Flussbewohner, der einen Angriff von Piranhas nicht fürchten muss: der Raubfisch Arapaima gigas. Denn seine Schuppen schützen ihn wirkungsvoll vor den scharfen Zähnen der Piranhas. Das Erfolgs-Geheimnis dieser Panzerung haben US-Forscher jetzt aufgeklärt.
Arapaimas gehören zu den größten Südwasserfischen der Welt: Sie erreichen immerhin Längen von bis zu zwei Metern und mehr als 100 Kilogramm Gewicht. Ihren Lebensraum, nährstoffreiche Flüsse im Amazonasgebiet, teilen sie allerdings mit einem wenig angenehmen Nachbarn: den Piranhas. Die Arapaimas schreckt das aber nicht ab,- ganz im Gegenteil: Die wendigen Beißer haben sogar einen festen Platz auf ihrem Speiseplan. Das allerdings beinhaltet eine Herausforderung. Denn Piranhas sind durchaus wehrhaft und beißen zurück, wenn sie sich in Gefahr wähnen. Und Größe allein wäre gegen ihre zahnbewehrten Attacken kein ausreichender Schutz.
Piranha-fester Schuppenpanzer
Doch die Arapaimas sind gut gewappnet: Ihr besonders stabiler Schuppenpanzer schützt sie gegen die Piranha-Zähne. Die dichtstehenden, sich überlappenden Schuppen widerstehen den kräftigen Bissen, ohne Schaden zu nehmen. „Die schützenden Schuppen des Arapaima-Fisches sind ein perfektes Beispiel für ein biologisches Material, das sich für einen bestimmten Zweck entwickelt hat – in diesem Falle den Schutz für Piranha-Bissen“, erklären Elizabeth Zimmermann vom Lawrence Berkeley National Laboratory und ihre Kollegen.
Damit dieser Schutz effektiv genug ist, muss ein solches Material zwei Eigenschaften besitzen: Es muss hart genug sein, um ein Eindringen der Zahnspitzen zu verhindern. Und es muss flexibel genug sein, um dem Druck des Bisses standzuhalten ohne zu brechen oder zu reißen. Wie die Panzerung der Arapaimas dies erreicht, haben die Forscher nun genauer untersucht.
Dafür analysierten sie die Struktur von kleinen Stücken des Schuppenpanzers, indem sie diese mit stark beschleunigten Röntgenstrahlen aus einem Synchrotron beschossen. Dabei entsteht ein Beugungsmuster, dass Aufschluss gibt über den molekularen Aufbau des Materials. Während dieser Analysen setzten die Wissenschaftler ihre Proben verschiedenen mechanischen Belastungen aus und prüften, wie sich dabei die innere Struktur veränderte.
Hart, aber nicht spröde
Wie sich zeigte, liegt das Geheimnis des Arapaimas-Panzers in zwei Dingen: einem raffinierten Materialmix und einer besonders flexiblen Anordnung der schützenden Schichten und Fasern. Die Schuppen des Fisches sind aus zwei unterschiedlichen Schichten aufgebaut, wie die Forscher berichten. Die äußere ist einen halben Millimeter dick und bildet eine harte, stark mineralisierte Schale.
„Sie liefert die Härte, die gegen starkes Verformen schützt und die Zähne des Angreifers abbrechen lässt“, erklären Zimmermann und ihre Kollegen. Allerdings macht der hohe Mineralgehalt das Material auch spröde. Aber die raue Oberfläche und eine besondere Anordnung der Schuppen sorgen dafür, dass die Schale nicht bricht, sondern den Druck beim Biss nach innen weiterleitet.
Flexible Lamellen schützen vor Rissen
Die innere Panzerschicht ist rund einen Millimeter dick und sehr viel nachgiebiger. Sie besteht aus Kollagenfasern, die in Lamellen unterschiedlicher Orientierung neben- und übereinander gestapelt sind. In die Lamellen eingelagerte Nanokristalle machen diese stabil, erhalten dabei aber ihre Flexibilität. Wie diese Lamellenschicht auf Belastung reagierten, zeigten die Experimente: „Bei Druck passen die Lamellen ihre Ausrichtung an, sie dehnen sich und ändern ihre Winkel“, berichten die Forscher.
Die meisten Fasern bewegen sich dabei in Richtung des höchsten Drucks, während ein kleinerer Teil in die entgegengesetzte Richtung dreht. Diese Verschiebungen führen dazu, dass das Material einem steigenden Druck immer mehr Widerstand entgegen setzt. Gleichzeitig verhindert es die Ausbreitung von Rissen, wie Zimmermann und ihre Kollegen erklären.
„Damit ist dieser Panzer ein gutes Beispiel dafür, wie die Natur multifunktionale Strukturen entwickelt“, konstatieren die Forscher. In diesem Falle sorge die Architektur der Panzerschuppen dafür, dass sie ein Eindringen verhindern, ohne dabei die Flexibilität zu gefährden. (Nature Communications, 2013; doi: 10.1038/ncomms3634)
(Nature, 16.10.2013 – NPO)