Überraschung im Südpolarmeer: Die Artenvielfalt der bizarren Asselspinnen ist dort trotz Kälte und Dunkelheit noch größer als bisher gedacht. Wahrscheinlich haben die achtbeinigen Wassertiere sogar von der Antarktis aus die Weltmeere besiedelt, berichten Meeresbiologen im Magazin „Royal Society Open Science“. Bisher dachte man, dass die vielen Arten der Asselspinnen nur ins antarktische Meer eingewandert sind, statt sich dort zu entwickeln.
Im tiefen Südpolarmeer ist es stockdunkel und klirrend kalt – und doch gibt hier eine faszinierende Artenvielfalt. Zu den bizarren Bewohnern dieser kalten Tiefen gehören auch die Asselspinnen: Bis zu 25 Zentimeter große Tiere mit einem spindeldürren Körper und in der Regel acht überlangen Spinnenbeinen. Doch trotz ihres Namens bilden die Asselspinnen eine eigene taxonomische Klasse und gehören nicht zu den Spinnentieren.
Endemiten auf dem antarktischen Sockel
Im lebensfeindlich scheinenden Südpolarmeer sind die Achtbeiner sogar recht häufig: „Insbesondere auf dem Kontinentalsockel der Antarktis leben viele unterschiedliche Asselspinnenarten, die sonst nirgendwo auf der Welt vorkommen, so genannte Endemiten“, sagt Florian Leese von der Ruhr Universität Bochum. Rein äußerlich lassen sich viele dieser Arten gar nicht unterscheiden.
Leese und Kollegen haben daher die tatsächliche Artenvielfalt der Asselspinnen in der Antarktis mit genetischen Methoden untersucht. Mit Schleppnetzen fingen sie insgesamt über 500 Exemplare der Riesenasselspinne Colossendeis megalonyx – oder was Wissenschaftler bislang für diese Art hielten. Dann analysierten sie die mitochondriale DNA der Tiere, um einzelne Abstammungslinien oder sogar verschiedene Arten zu erkennen.
Von der Antarktis in andere Meere
Die Ergebnisse waren überraschend: Innerhalb der Riesenasselspinne identifizierten die Forscher 20 genetisch klar getrennte Linien. „Ihre Kern-DNA verrät uns jedoch, dass diese nicht 20 Arten darstellen, sondern zum Teil im genetischen Austausch stehen und somit wieder verschmolzen“, so Leese. Dennoch schätzen die Forscher, dass die Riesenasselspinne in Wahrheit mindestens sechs einzelne Arten darstellt. Mit hochauflösenden Gen-Analysen wollen sie die Mechanismen der Artbildung nun noch genauer erforschen.
Und noch etwas ergab die Gen-Analyse: Die zahlreichen Asselspinnenarten sind offenbar nicht erst in das Südpolarmeer eingewandert, wie bislang angenommen. Stattdessen deuten die genetischen Daten darauf hin, dass während der Eiszeiten der letzten fünf Millionen Jahre geradezu explosionsartig neue Populationen entstanden. Die Antarktis war dabei offenbar ein Zentrum der Artenbildung, wo die Asselspinnen gewissermaßen überwinterten. Von dort aus zogen die Achtbeiner in andere Meere.
(Universität Duisburg-Essen, 04.08.2015 – AKR)