Männchen der Netzspinne Argiope haben bei der Brautwerbung nur eines im Sinn: Schutz vor dem rabiaten Weibchen. Denn sobald sie deren Netz betreten, sind sie Beute. Um das verhindern, zittern sie buchstäblich um ihr Leben: Ihr wackelnder Körper bringt das Netz in Schwingungen, das hemmt die Aggression der Spinnendame. Ein so unspezifisches Nicht-Angriffssignal ist als Balz-Strategie äußerst ungewöhnlich, konstatieren australische Forscherinnen im Fachmagazin „Scientific Reports“.
Egal ob bei Mensch oder Tier: Bei der Partnersuche versucht jeder, sich im besten Licht darzustellen – Posieren, Imponiergehabe und das Herausstellen der eigenen Fähigkeiten inklusive. Doch bei Netzspinnen haben die Männchen ein Problem: Die Weibchen sitzen in ihrem Netz und reagieren auf jede Erschütterung ihres Gewebes mit Angriff. Wie also verhindern die männlichen Verehrer, dass ihre Partnerin sie mit einer Beute verwechselt und tot beißt, bevor sie überhaupt zum Zuge gekommen sind? Diese Frage haben Anne Wignall und Marie Herberstein von der Macquarie University in Sydney nun näher untersucht.
Zitterpartie im Spinnennetz
Sie beobachteten dafür zunächst Männchen von Argiope keyserlingi, einer asiatischen Verwandten unserer Wespenspinne, bei der Balz. Auffallend dabei: Sobald die Bewerber einen Fuß auf das Netz des Weibchens gesetzt hatten, begannen sie heftig mit ihren Körper nach vorne und hinten zu wippen. Dadurch versetzten sie das Netz in Vibrationen. „Vor allem in der ersten und gefährlichsten Phase ihrer Werbung erzeugen die Männchen konzentrierte Zitterpulse, während sie sich von außen dem Zentrum des Netzes näherten“, erklären die Forscherinnen. Das gleiche beobachteten sie auch bei einer weiteren Art der Gattung Argiope.
Und dieses seltsame Zitterstrategie zeigte Wirkung: Anstatt direkt auf die Eindringlinge loszustürmen, blieb das Spinnenweibchen erstmal sitzen. „Die Vibrationen verzögerten die Angriffe der Weibchen, hemmt sie aber nicht komplett“, berichten die Forscherinnen. Doch den Spinnenmännern reichte das: Durch diesen Aufschub hatten sie genügend Zeit, um das Zentrum des Netzes zu erreichen und dann dort dem Weibchen durch weitere Signale klarzumachen, dass sie keine Beute sind.
Vibrationen hemmen Aggression
Interessanterweise beobachteten Wignall und Herberstein aber noch etwas: Die Männchen, die am stärksten zitterten, hatten auch die beste Chance, nach der Paarung ungeschoren davon zu kommen. Weniger effektive Vibrierer dagegen wurden oft nach der Paarung aufgefressen. Aber ist wirklich das Zittern allein für diesen Aggressions-dämpfenden Effekt verantwortlich? Um das herauszufinden, legten die Forscherinnen ihren weiblichen Testspinnen einen Grashüpfer ins Netz – einmal pur, und einmal begleitet von einem künstlich erzeugten Zittern, ähnlich wie es die Spinnenmännchen produzieren.
Das Ergebnis: Wurden die Grashüpfer von Zittern begleitet, reagierte die Spinne verzögert und bewegte sich erst nach größerer Pause zu ihrer Beute. Das belege, dass die Vibrationspulse als solche bereits ausreichten, um die weibliche Aggression zu dämpfen und ihre Angriffsreaktion zu verlangsamen, konstatieren die Forscherinnen. Damit sei die Werbung der Netzspinnen eine Besonderheit: Bei den meisten anderen Tieren vermitteln die Männchen als erstes artspezifische Informationen darüber, dass sie ein passender Partner sind und zur richtigen Art gehören. Die Spinnenmännchen dagegen senden als erstes ein unspezifisches Nicht-Angriffssignal aus. (Scientific Reports, 2013; doi: 10.1038/srep03557)
(Nature, 02.01.2014 – NPO)