Evolution

Sprache: Gaben Steinklingen den Anstoß?

Werkzeug-Herstellung als treibende Kraft bei der Sprachentwicklung des Urzeit-Menschen

Olduwan-Steinwerkzeug (rechts) und fortgeschrittener Faustkeil der Acheuléen-Kultur © Gerbil/ CC-by-sa 3.0

Faustkeile als Sprachanreiz? Steinwerkzeuge könnten für unsere Vorfahren die Triebkraft gewesen sein, um eine verbale Kommunikation zu entwickeln. Denn wie ein Experiment zeigt, lässt sich die Herstellung dieser Steinklingen nur dann effektiv erlernen, wenn die Lernenden Hinweise über Gesten und Sprache bekommen. Spätestens mit dem Auftreten komplexerer Steinklingen vor rund 1,7 Millionen Jahren könnten unsere Vorfahren daher schon eine Protosprache entwickelt haben, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.

Wenn wir jemandem etwas beibringen wollen – egal ob eine Sportart oder eine andere Fertigkeit, nutzen wir die Sprache. Wir erklären, wie etwas gemacht wird und begleiten unsere Vorführungen mit erläuternden Bemerkungen. „Erst diese Form der sozialen Weitergabe hat die kumulative Entwicklung einer großen Anzahl von Technologien und Verhaltensweisen möglich gemacht“, erklären Thomas Morgan von der University of St. Andrews und seine Kollegen.

Sprache als Lehr-Hilfe?

Auch unsere Vorfahren gaben schon vor rund 2,5 Millionen Jahren Fertigkeiten weiter, beispielsweise die Herstellung einfacher Steinklingen. Wie dieses Lernen jedoch stattfand, ist stark umstritten: Einige Forscher gehen davon aus, dass die Olduwan-Kultur bereits einfache Formen der gezielten Unterweisung und vielleicht sogar der Sprache besaß. Andere halten einen so frühen Beginn der Sprache für unwahrscheinlich und argumentieren, dass sich solche Steinwerkzeuge auch durch bloßes Nachahmen erstellen lassen.

Herstellung einer Olduwan-Klinge und die fünf Lehrmethoden © Laland et al./ Nature Communications

Morgan und seine Kollegen sind dieser Frage nun ganz praktisch nachgegangen: Sie prüften in einem Experiment mit 184 Freiwilligen, wie gut sich die Herstellung der Olduwan-Steinklingen durch fünf verschiedenen Lerntechniken weitergeben lässt: durch Nachbau eines fertigen Faustkeils, durch Beobachten des Herstellungsprozesses, durch einfachste Hilfestellungen des Lehrers wie die Korrektur der Haltung oder des Griffes sowie durch Gesten oder verbale Hinweise und Erklärungen.

Ohne Tipps geht es kaum

Das Ergebnis war relativ eindeutig: Zwar gelang es den Teilnehmern in allen fünf Lernformen, mehr oder weniger gute Imitate der Olduwan-Klingen herzustellen. Deutliche Fortschritte und qualitativ gute Ergebnisse gab es jedoch nur dann, wenn der Lehrer entweder durch Gesten oder Sprache Hinweise auf das korrekte Vorgehen geben durfte.

Als die Forscher prüften, wie gut die Werkzeugherstellung durch die fünf Lehrmethoden über mehrere Personen weitgegeben wird, zeigte sich Ähnliches: Lernten die Schüler jeweils nur durch bloßes, unkommentiertes Abschauen, sank die Leistung schon bei der zweiten Weitergabe komplett ab. Anders dagegen beim Lernen durch Gesten oder verbale Hinweise: Auch da nahm zwar die Qualität der Faustkeile im Laufe der Kette immer weiter ab, dies geschah jedoch bei weitem nicht so drastisch und schnell.

Anreiz für Fortentwicklung der Kommunikation

„Das zeigt, dass die soziale Weitergabe von Olduwan-Technologie durch gezieltes Lehren und besonders durch Sprache verbessert wird“, konstatieren die Forscher. Das bedeute zwar nicht, dass die Frühmenschen vor rund zwei Millionen Jahren tatsächlich schon sprechen konnten. Nach Ansicht von Morgan und seinen Kollegen könnte die Werkzeug-Herstellung aber ein wichtiger Anreiz dafür gewesen sein, gezielte Lehrmethoden und eine sprachliche Kommunikation zu entwickeln.

„Steinwerkzeuge waren damit nicht nur ein Produkt der menschlichen Evolution, sie trieben sie auch an“, so Morgan. Diese Koevolution könnte bereits während der Olduwan-Kultur vor rund zwei Millionen Jahren begonnen haben und dann später, zur Zeit der nachfolgenden Acheuléen- und Moustérien-Kulturen, weitergeführt worden sein.

So stellt man eine Olduwan-Steinklinge aus Obsidian her© Yasmin Anwar, Roxanne Makasdjian und Phil Ebiner / UC Berkeley

Rätselhafte Pause erklärt

Die Ergebnisse der Experimente könnten auch erklären, warum die Steinwerkzeuge des Olduwan sich rund 700.000 Jahre lang nicht nennenswert weiterentwickelten. „Wenn diese Menschen schon gesprochen hätten, hätten sie schneller gelernt und schneller neue Technologien gelernt“, so Morgan.

Doch die fortgeschritteneren Faustkeile der Acheuléen-Kultur tauchten erst vor rund 1,7 Millionen Jahren auf. Gesten und vielleicht sogar eine rudimentäre Proto-Sprache könnten bis dahin schon so weit fortgeschritten gewesen sein, dass die Menschen auch die komplexeren Details dieser Werkzeug-Technik vermitteln und weiterentwickeln konnten. Als Folge machte die kulturelle Entwicklung einen großen Schritt voran. (Nature Communications, 2014; doi: 10.1038/ncomms7029)

(University of California – Berkeley / Nature, 14.01.2015 – NPO)

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