Universelles Sprachmuster: Wissenschaftler haben herausgefunden, warum wir selbst bei schnellem Sprechen oder fremden Sprachen meist mühelos erkennen, wann ein neues Wort beginnt. Demnach werden in den meisten Sprachen der Welt Konsonanten verlängert, wenn sie am Anfang eines Wortes stehen. Ein „N“ am Wortanfang erklingt daher länger als in der Wortmitte oder am Ende. Diese Technik könnte neben Pausen und der Betonung ein weiteres universelles Werkzeug sein, um Sprache zu strukturieren.
Wenn wir sprechen, strömen aus unserem Mund kontinuierlich akustische Laute. Dennoch können wir schnell, präzise und mühelos erkennen, wann ein Wort endet und ein neues beginnt. Wie ist das möglich? Und funktioniert die Erkennung der Wörter in allen Sprachen gleich? Bekannt ist bereits, dass Pausen, aber auch Betonungen und Länge bestimmter Wortsilben dabei helfen können, die Sprache zu strukturieren. Doch welche Rolle dafür Konsonanten spielen, war unklar.
Sprachproben im Vergleich
Um das herauszufinden, hat ein Team um Frederic Blum vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig untersucht, welche akustischen Signale Hörern die Unterscheidung von Wörtern im Sprachfluss erleichtern. Dafür verglichen die Sprachwissenschaftler die Länge von Konsonanten wie N, M oder L an verschiedenen Positionen in Wörtern und Sätzen.
Die Daten stammten aus dem DoReCo-Korpus – einer Sammlung von Sprachproben von 51 Populationen von allen bewohnten Kontinenten, die über eine Million Sprachlaute und verschiedene Grammatiken umfasst. Auch wenn es weltweit rund 7.000 Sprachen gibt, repräsentiert die Datenbank damit schon einen relativ breiten Querschnitt der linguistischen und kulturellen Vielfalt menschlicher Sprache. Zudem liefert die Sammlung präzise Längenangaben für jeden der Buchstabenlaute, was einen statistischen Vergleich ermöglicht.
Buchstaben am Wortanfang sind 13 Millisekunden länger
Tatsächlich fand das Team in den Tonaufnahmen ein Muster: Konsonanten am Wortanfang sind etwa 13 Millisekunden länger als Konsonanten innerhalb der Wörter. Dieser Effekt trat in 43 der 51 untersuchten Sprachen auf, darunter Weltsprachen wie Englisch und Französisch aber auch Sprachen wie Tabaq und Nafsan, die nur in einzelnen Gebirgen oder auf kleinen Inseln gesprochen werden. Im Englischen war der Effekt ausgeprägter als im Französischen. Die Ergebnisse für die restlichen acht Sprachen waren nicht eindeutig. „Dieses Phänomen kommt tatsächlich in den meisten Sprachen der Welt vor“, sagt Blum.
Die Forschenden schließen daraus, dass es sich bei den verlängerten Konsonanten am Wortanfang um einen sprachübergreifenden Mechanismus handelt, mit dem der Beginn eines neuen Worts im Sprachfluss markiert wird. Sie gehen jedoch davon aus, dass es darüber hinaus noch weitere Faktoren gibt, die Wortgrenzen markieren. So stellten Blum und seine Kollegen auch fest, dass in 15 der untersuchten Sprachen Satzanfänge auch verkürzt werden oder neutral lang bleiben – sofern zuvor eine Pause eintritt. Demnach sind bei Pausen vor einem Satz keine zusätzlichen Hinweise auf Wortgrenzen nötig, so das Team.
Gemeinsame Grundlage aller Sprachen
Die Erkenntnisse helfen zu verstehen, welche akustischen Gesetzmäßigkeiten allen gesprochenen Sprachen gemeinsam sind. Folgestudien sollen nun klären, ob es weitere akustische Faktoren gibt, die Wortgrenzen markieren, wie etwa die artikulatorische Verstärkung. (Nature Human Behaviour, 2024; doi: 10.1038/s41562-024-01988-4)
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft