Mikrobiologie

Stadt-Mikroben: Einzigartig wie ein Fingerabdruck

Erster Vergleich der urbanen Mikrobiome auf fünf Kontinenten

STadt
In unseren Städten wimmelt es vor Mikroben. Einige davon kommen zwar in allen Städten vor, insgesamt aber ist das urbane Mikrobiom spezifisch wie ein Fingerabdruck:© DKosig, Usis/ Getty images

Unsichtbare Mitbewohner: In jeder Stadt lebt eine ganz eigene Mischung von Mikroben – das urbane Mikrobiom ist so unverkennbar wie ein Fingerabdruck. Das enthüllt eine Vergleichsstudie mit Proben aus 60 Städten weltweit. Demnach gibt es einen Kern von 31 Arten, die unabhängig von Klima, Kontinent oder Einwohnerzahl in fast allen Städten vorkommen. Viele andere sind dagegen in ihrer Artenzusammensetzung und Häufigkeit so spezifisch, dass sie ihre Herkunft verraten.

Ob in der U-Bahn, auf Türklinken, Automatendisplays und Treppengeländern oder auf dem Boden: Überall in der Stadt begegnen uns Mikroben. Diese Bakterien, Viren, Pilze und Archaeen stammen zum Teil aus unserem  menschlichen Mikrobiom, zum Teil aber auch aus der Natur – von Tieren, aus den Böden, der Luft oder dem Wasser. Aus der Mischung dieser verschiedenen Mikrobengemeinschaften entsteht in der Stadt eine ganz spezielle Mischung.

Proben aus 60 Städten

Doch wie ist dieses urbane Mikrobiom zusammengesetzt – und wie stark ähnelt oder unterscheidet es sich zwischen verschiedenen Städten? Das haben Forschende des internationalen MetaSUB-Konsortiums erstmals genauer untersucht. Den Anstoß für ihr Projekt gab eine erste Studie zur Mikrobenwelt der New Yorker U-Bahn, die weltweit für Interesse sorgte und Nachahmer fand. Daraus entstand die Idee eines globalen Vergleichs der urbanen Mikrobiome.

Für das Projekt sammelten Freiwillige und Wissenschaftler in 60 Städten weltweit insgesamt 4.728 Proben. Diese stammten vor allem von Oberflächen im Umfeld der öffentlichen Verkehrssysteme wie Treppengeländern, Türgriffen oder Ticketautomaten, aber auch vom Boden oder aus der Luft anderer städtischer Umgebungen. Alle Proben wurden mithilfe genetischer Sequenzierung auf Artenzusammensetzung und Häufigkeit der verschiedenen Mikrobenspezies hin analysiert.

31 Kernarten
Verwandtschaft und Merkmale der 31 Arten des urbanen Kern-Mikrobioms. © Danko et al./ Microbiome, CC-by-sa 4.0

31 Arten sind fast überall präsent

Das Ergebnis: Insgesamt identifizierte das Team 4.346 Mikrobenarten, von denen 31 Spezies in 97 Prozent aller untersuchten Städte vorkamen. Dieses Kern-Mikrobiom war unabhängig von Einwohnerzahl, geografischer Lage, Klima oder anderen Faktoren und setzte sich vorwiegend aus Bakterien zusammen. „Weil Menschen einen großen Teil der urbanen Umwelt ausmachen, würde man erwarten, dass die DNA in unseren Proben auch primär denen der Kommensalen im menschlichen Mikrobiom ähnelt“, erklären David Danko von Weill Cornell Medicine in New York und seine Kollegen.

Doch anders als erwartet unterschieden sich die Arten in diesem städtischen Kern-Mikrobiom deutlich von den typischen „Mitbewohnern“ des Menschen. Zwar war das Hautbakterium Cutibacterium acnes der in fast allen Städten am häufigsten gefundene Organismus, aber auch typische Bewohner von Luftpartikeln und Staub wie Micrococcus luteus oder das an metallische Umgebungen angepasste Bakterium Cupriavidus metallidurans gehörten zu den Top Ten der Spezies.

Ein ganz eigenes Mikrobiom

„Dies spricht dafür, dass die urbanen Mikrobiome als eigene, ökologisch von Bodenmikrobiomen und menschlichen Mikrobiomen getrennte Einheit betrachtet werden sollten“, konstatiert das Team. „Auch wenn all diese Mikrobiome unzweifelhaft miteinander interagieren, repräsentieren sie doch eigene ökologische Nischen mit entsprechend unterschiedlichen genetischen Profilen.“

Zu den für das urbane Umfeld typischen Mikrobenarten gehören auch einige Bakterien, die zu Krankheitserregern des Menschen werden können. Dazu gehören unter anderem Staphylokokken, Streptokokken, Vertreter der Gattung Klebsiella und Enterobacter. Der Durchfallerreger Salmonella enterica gehörte zwar nicht zum Kern-Mikrobiom, weil er in weniger als der Hälfte der Städte nachgewiesen wurde. Dafür war seine Häufigkeit dort, wo er vorkam, umso höher: Er steht im Ranking der häufigsten Stadtmikroben an zwölfter Stelle.

Stadtspezifische Mischung

Neben dem stadttypischen Kern-Mikrobiom enthielten die Proben jedoch auch zahlreiche, je nach Region und Stadt ganz unterschiedliche Mikrobenkombinationen. Ihre Artenzusammensetzung und -häufigkeit ist sogar so spezifisch, dass sich eine Stadt allein daran erkennen lässt: Eine künstliche Intelligenz, die mit einem Teil der Proben trainiert wurde, lag im anschließenden Test mit neuen Proben bei 88,8 Prozent ihrer Zuordnungen richtig.

„Jede Stadt hat ihr eigenes ‚molekulares Echo‘ der Mikroben, die sie prägen“, erklärt Seniorautor Christopher Mason von Weill Cornell Medicine. „Wenn Sie mir ihren Schuh geben würden, könnte ich Ihnen mit 90-prozentiger Genauigkeit sagen, aus welcher Stadt in der Welt Sie hergekommen sind.“

Ein großer Teil ist noch unbekannt

Interessant auch: Zumindest ein Teil der städtischen Mikroben ist der Wissenschaft bisher noch völlig unbekannt. Denn in den Proben fanden sich auch tausende DNA-Sequenzen, die sich keiner bekannten Art von Bakterien, Viren, Pilzen oder Archaeen zuordnen ließen. Nähere Analysen ergaben aber, dass mehr als 10.000 dieser neuen Sequenzen von noch unbekannten Viren und 748 von unbekannten Bakterien stammen.

„Der signifikante Anteil nichtklassifizierter DNA in unseren Proben deutet darauf hin, dass ein Großteil des urbanen Mikrobioms bisher unbeobachtet geblieben ist“, erklären die Wissenschaftler. Ähnlich ist dies auch bei Stichproben aus vielen anderen Mikrobiomen der irdischen Lebenswelt. „Es gibt Millionen Mikrobenarten auf der Erde, aber solide Gendaten haben wir bisher gerade einmal für 100.000 bis 200.000 Spezies“, sagt Mason. (Microbiome, 2021; doi: 10.1016/j.cell.2021.05.002)

Quelle: Cell Press

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Welt der Bakterien - Die unsichtbaren Beherrscher unseres Planeten

Kleine Wunderwerke - Die unsichtbare Macht der Mikroben von Idan Ben-Barak

Top-Clicks der Woche