Wärme als Hemmschuh: Wie viel Kohlendioxid ein Baum speichern kann, hängt offenbar auch von seinem Standort ab. Eine Studie zeigt: Wachsen die grünen Treibhausgas-Puffer in besonders warmen städtischen Gebieten, betreiben sie im Vergleich zu ihren Artgenossen an kühleren Standorten weniger Fotosynthese und nehmen folglich weniger klimaschädliches CO2 auf. Durch die fortschreitende Urbanisierung und den Klimawandel könnte die Speicherfähigkeit der Bäume in der Stadt künftig noch weiter sinken.
Ob in den Tropen, in gemäßigten Breiten und sogar bis in den hohen Norden: Bäume gibt es fast überall. Rund drei Billionen dieser Pflanzen wachsen auf der Erde – und sie sind ein wichtiger Bestandteil nahezu jeden Ökosystems. Sie bieten nicht nur einer Vielzahl von Tieren und anderen Pflanzen wertvollen Lebensraum, sondern prägen auch das lokale und globale Klima entscheidend mit.
Als grüne Lunge unseres Planeten atmen die Bäume große Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre ein. Sie verwenden es im Prozess der Fotosynthese als Kohlenstoffquelle und wirken so als Puffer für das schädliche Treibhausgas. Wissenschaftler um Emily Meineke von der North Carolina State University in Raleigh haben nun erstmals untersucht, wie sich die Erderwärmung auf diese wichtige Speicherfähigkeit der Bäume auswirken könnte.
Mehr Wärme, weniger Wachstum
Dafür widmete sich das Team Weiden-Eichen in der im Osten der USA gelegenen Stadt Raleigh und beobachtete, wie sich die als Schattenspender beliebten Bäume an unterschiedlich warmen Standorten verhalten. Grundsätzlich sind Pflanzen in urbanen Gegenden wärmeren Temperaturen ausgesetzt als im dünner besiedelten Umland, weil Siedlungen, Verkehr und Industrie die Umgebung aufheizen.
Ein Vergleich von Bäumen an relativ kalten und relativ warmen Standorten offenbarte, dass das auch einen Einfluss auf das Wachstum der Pflanzen hat: Die Weiden-Eichen (Quercus phellos) betrieben in den wärmeren Gebieten weniger Fotosynthese und wuchsen dementsprechend auch langsamer. Doch woran lag das? Die Forscher hatten zunächst Schädlingsinsekten im Verdacht: Diese vermehren sich dank der Wärme in Städten besonders gut und können das Wachstum der von ihnen besiedelten Pflanzen hemmen.
Schädlinge als Schuldige?
Tatsächlich zeigte sich: Schädliche Arthropoden wie die Laus Parthenolecanium quericfex kamen an den Pflanzen, die mit höheren Temperaturen zu tun hatten, viel häufiger vor. Allerdings: Ihre Anwesenheit schien das Wachstum der Eichen nicht so dramatisch zu beeinflussen wie angenommen.
Das fanden Meineke und ihre Kollegen durch ein Experiment heraus: Mithilfe spezieller Ölbehandlungen entfernten sie die Schädlinge von einigen befallenen Bäumen – und konnten auf diese Weise zwischen dem Einfluss der Insekten und dem Effekt der wärmeren Temperaturen unterscheiden.
Zwölf Prozent weniger Speicherkapazität
Das Ergebnis: Die Insekten beeinträchtigen vor allem die Entwicklung neuer Zweige, hemmen jedoch nicht die Funktionsfähigkeit des gesamten Baumes. Den Berechnungen der Wissenschaftler zufolge tragen sie die Schuld an weniger als einem Prozent der verlorenen Speicherkapazität. Stattdessen ist es offenbar die Erwärmung selbst, die die Fotosynthese-Tätigkeit der Weiden-Eichen hemmt. Den Messungen nach sinkt durch den Effekt urbaner Wärmeinseln das Speicherpotenzial der untersuchten Baumart stadtweit um rund zwölf Prozent.
Erwärmung scheint demzufolge ein entscheidender Faktor zu sein, der die CO2-Aufnahmefähigkeit beeinflusst, schreiben die Forscher. Zusätzlich könnten andere für die Stadt typische Stressoren, beispielsweise Luftverschmutzung, zu diesem Effekt beitragen. Meineke und ihre Kollegen kommen deshalb zu dem Schluss, dass die Bäume als potente Kohlendioxidspeicher in der Stadt womöglich überschätzt werden.
„Weil durch die Urbanisierung und den Klimawandel die urbane wie die globale Erwärmung weiter steigen wird, werden Stadtbäume in Zukunft noch weniger Kohlenstoff speichern“, schließen sie. (Proceedings oft he Royal Society B, 2016; doi: 10.1098/rspb.2016.1574)
(Proceedings of the Royal Society B, 05.10.2016 – DAL)