Vierbeiner im Stress: Stadthunde reagieren oft ängstlicher gegenüber anderen Hunden und fremden Menschen als ihre Artgenossen auf dem Land, wie nun eine Studie enthüllt. Ob dies mit dem vermehrten Stress in der Stadt zusammenhängt oder andere Gründe hat, ist allerdings unklar. Unterschiede in der Ängstlichkeit gibt es aber auch zwischen den Hunderassen und den Geschlechtern, wie die Forscher berichten.
Der Hund ist einer der ältesten Begleiter des Menschen – schon vor 28.000 Jahren lebten seine Vorfahren in Menschennähe, vor etwa 15.000 Jahren entstanden dann sowohl in Europa wie in Ostasien die ersten echten Haushunde. Seither hat sich der Hund immer stärker an uns Menschen angepasst, Mutationen sorgten dafür, dass er uns gegenüber extrem sozial wurde und sogar unsere Blicke, unser Lächeln und unseren Tonfall versteht.
Reaktion auf fremde Hunde und Menschen im Test
Doch wie sieht es mit der Ängstlichkeit der Hunde aus – und insbesondere mit der sozialen Ängstlichkeit? „Diese soziale Furchtsamkeit umfasst die Angst vor anderen Hunden oder vor fremden Menschen“, erklären Jenni Puurunen und ihre Kollegen von der Universität Helsinki. Während ein gewisses Maß der Vorsicht normal ist, kann eine übersteigerte soziale Ängstlichkeit zum Problem werden, weil diese Hunde dann oft aggressiv werden können.
Um herauszufinden, welche Hunde besonders zu dieser Form der Angst neigen, haben Puurunen und ihre Team die Besitzer von knapp 12.000 Hunden verschiedener Hunderassen auf die Reaktion ihres Tieres auf andere Hunde und fremde Menschen hin befragt. Dabei erfassten sie auch Alter, Geschlecht, die Umgebung, das Alter bei der Entwöhnung als Welpe und die Familienumstände der Besitzer.
Alter, Geschlecht und auch Rasse haben einen Einfluss
Das Ergebnis: Ob ein Hund eher ängstlich oder mutig auf fremde Artgenossen oder Menschen reagiert, hängt von mehreren Faktoren ab. So sind unkastrierte Rüden weniger ängstlich als Hündinnen oder kastrierte Rüden, alte Hunde weniger als Tiere im mittleren Alter, wie die Forscher berichten. In Bezug auf die Angst vor fremden Menschen erwiesen sich zudem Hunde aus Single-Haushalten als offener und mutiger als Hunde aus Familien.
Und auch die Hunderasse spielt eine große Rolle: Als besonders ängstlich gegenüber fremden Hunden erwiesen sich der spanische Wasserhund, der Chihuahua, der Bordercollie und interessanterweise auch der Deutsche Schäferhund. Eher zutraulich waren dagegen Corgis und einige kleine Terrierarten. Auf fremde Menschen wiederum reagierten der Wasserhund und der Shetland-Schäferhund ängstlich, während Bordercollie, Deutscher Schäferhund und Labrador keine große Angst zeigten.
„Die Unterschiede zwischen den Hunderassen stützen die Annahme, dass auch die Gene einen Einfluss auf die Ängstlichkeit haben“, sagen die Forscher.
Stadtleben macht Hunde ängstlicher
Eher unerwartet war dagegen ein weiterer Zusammenhang: Stadthunde scheinen im Schnitt ängstlicher auf fremde Hunde oder Menschen zu reagieren als Hunde, die in ländlicher Umgebung leben. Auf den ersten Blick erscheint dies paradox, weil gerade Stadthunde beim Gassigang besonders häufig auf andere Hunde und Menschen treffen. „Diesen Zusammenhang hat man zuvor bei Hunden noch nie näher untersucht“, sagt Puurunen.
Warum Stadthunde ängstlicher sind, ist daher bislang unklar. Die Forscher vermuten aber, dass dies mit dem erhöhten Stress in der urbanen Umgebung zusammenhängen könnte. „Die Stadt ist hektisch und voller Reize wie plötzlichen und lauten Geräuschen, die ein ängstliches Verhalten bei Hunden begünstigen kann“, so die Forscher. „Wir wissen auch, dass beispielsweise psychische Probleme bei Stadtmenschen häufiger auftreten“, so die Forscher. Wie genau das Stadtleben die Hunde beeinflusst, müsse aber noch näher untersucht werden.
Viel Aktivität hilft
Immerhin scheint es einen Faktor zu geben, der Hunden möglicherweise gegen die soziale Angst hilft: Aktivität. Denn wie die Wissenschaftler feststellten, reagierten Hunde, die täglich mehr als zwei Stunden Training und Aktivitäten erleben, weniger ängstlich als Hunde mit kaum körperlicher und geistiger Anregung. „Aktivität und Stimuli haben sich schon in früheren Studien als positiver Einfluss auf das Verhalten von Hunden erwiesen“, erklärt Puurunens Kollege Hannes Lohi.
Einen weiteren Einfluss scheint das Alter zu sein, in dem Welpen von ihrer Mutter entwöhnt werden und ihr neues Zuhause kennenlernen. „Geschieht dies deutlich später als mit acht Wochen, dann neigen diese Hunde später eher zur Angst vor Fremden als Hunde die mit sieben bis acht Wochen entwöhnt wurden“, berichten die Wissenschaftler. Das stimme mit früheren Studien überein, nach denen Welpen, die vor dem Alter von zwölf Wochen in eine neue Umgebung kamen, mutiger waren als die, die erst später in Kontakt mit neuen Menschen oder Hunden kamen. (Scientific Reports, 2020; doi: 10.1038/s41598-020-60546-w)
https://www.nature.com/articles/s41598-020-60546-w
Quelle: University of Helsinki