Biologie

Stärkstes Sinnesorgan: Die Nase?

Forscher finden Geruchssinn deutlich leistungsfähiger als bisher gedacht

Menschliche Nase als Geruchsfänger © SXC

Sehen, Hören, Schmecken, Fühlen und Riechen – die Sinne sind unsere Antennen zur Welt. Seh- und Hörsinn gelten dabei als die wichtigsten Informationsquellen im Leben des Menschen. Doch im Vergleich zum Geruchssinn sind sie offenbar erstaunlich stumpf, berichten Forscher: Vermutlich könnte unser Näschen mehr als eine Billion Duftnoten unterscheiden, legt das Ergebnis ihrer im Fachmagazin „Science“ veröffentlichten „Schnüffelstudie“ nahe.

Bisherige Untersuchungen zur Leistungsfähigkeit des menschlichen Geruchssinns waren zu dem Ergebnis gekommen, dass der Mensch nur etwa 10.000 verschiedene Duftmischungen unterscheiden kann. Damit galt dieser Sinn als weniger leistungsfähig als Sehen und Hören: Man geht davon aus, dass der Mensch bis zu 7.5 Millionen Farbnuancen und 340.000 Töne unterscheiden kann. Doch die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Geruchssinns wurde offenbar stark unterschätzt, wie Andreas Keller von der Rockefeller University in New York und seine Kollegen nun zeigen konnten.

Schnüffelprobe: such den Unterschied

Die Forscher ließen für ihre Studie Probanden an speziellen Duftmixturen schnüffeln. Es handelte sich um Mischungen mit unterschiedlichem Grad der Ähnlichkeit, die die Wissenschaftler aus 128 Geruchsträgern angefertigt hatten. „Wir nutzten den Prozentsatz der Übereinstimmung der enthaltenen Geruchsmoleküle als Anhaltspunkt, um die Geruchssensibilität der Probanden zu erfassen“, erklärt Keller. Die Probanden bekamen bei den Tests drei Gefäße mit Duftlösungen vorgesetzt – zwei davon waren gleich, eine unterschied sich von den beiden. Nach der Schnüffelprobe sollten die Tester nun den Duft herausfinden, der sich von den anderen beiden unterschied.

Die Auswertungen zeigten: Besaßen die Geruchsmixturen mehr als etwa die Hälfte der gleichen Geruchsträger, schwand die Unterscheidungsfähigkeit der meisten Probanden. „Man muss schon einen großen Prozentsatz der Geruchsträger verändern, damit die meisten Menschen zwei Geruchsmixturen auseinanderhalten können“, sagt Co-Autor Marcelo Magnasco. „Aber weil es astronomisch viele Kombinationsmöglichkeiten von Geruchsstoffen gibt, ist auch die Zahl der Düfte, die ein Mensch unterscheiden kann, gigantisch hoch“. Im Test waren es nur 128 unterschiedliche Geruchsmoleküle, aber die Welt hat Unmengen davon zu bieten, betonen die Forscher. Ihre Hochrechnung kommt auf über eine Billion Gerüche, die der Mensch unterscheiden könnte. „Selbst diese Schätzung ist wahrscheinlich noch viel zu niedrig“, sagt Magnasco.

Geruchssinn: in den Hintergrund gedrängt

Der Geruchssinn des Menschen genießt nicht das Ansehen, das ihm eigentlich zusteht, meinen die Wissenschaftler. Vermutlich spielte dieser Sinn im Leben unserer Vorfahren noch eine weit größere Rolle. Aber auch die aufrechte Körperhaltung des Menschen könnte etwas mit dem Bedeutungsschwund des Riechsinns zu tun gehabt haben, sagt Keller. Der aufrechte Gang vergrößerte den Abstand unserer Nase vom Boden, von dem die meisten Gerüche ausgehen.

Auch die moderne Gesellschaft habe die Welt der Düfte in den Hintergrund gedrängt. „So hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass der Geruchssinn nebensächlich ist“, sagt Keller. Doch den Forschern zufolge ist und bleibt er ein wichtiger Faktor im Verhalten des Menschen. Die Bedeutung dieses Sinnes haben bereits einige Studien belegt. Menschen, die ihren Geruchssinn verloren haben – unter der sogenannten Anosmie leiden – werden ihres Lebens demnach kaum mehr froh: Eine Welt ohne Duft und Geruch entpuppt sich als erstaunlich reizlos und kann zu Depressionen führen.

(Science, 2014; doi: 10.1126/science.1249168)

(Science, 21.03.2014 – MVI)

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