Medizin

Stammzellen gegen den Grauen Star

Neue Methode bringt das Auge dazu, selbst eine neue Linse zu bilden

Stammzellen im Auge könenn selbst eine neue Augenlinse bilden - wenn die alte schonend genug entfernt wird. © mioshoo/ iStock.com

Mediziner haben eine neue Heilmethode für den Grauen Star entwickelt: Statt die getrübte Linse gegen eine Kunstlinse auszutauschen, bringen sie im Auge vorkommende Stammzellen dazu, selbst eine neue Linse zu generieren. In einer Pilotstudie gab dies Kindern mit einem angeborenen Grauen Star innerhalb einiger Monate ihr Augenlicht zurück, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Der Graue Star ist weltweit eine der häufigsten Ursachen für Erblindung. Bei dieser Erkrankung trübt sich die Augenlinse immer stärker ein, bis schließlich kaum mehr Licht an die Netzhaut gelangt. Während bei uns der Graue Star vor allem bei älteren Menschen auftritt, sind in den Entwicklungsländern auch viele Kinder von dieser Augenkrankheit betroffen.

Bisher gibt es nur eine Behandlung für den Grauen Star: Die getrübte Linse wird durch einen Schnitt in die Hornhaut entfernt und stattdessen eine künstliche Linse aus Kunststoff eingesetzt. Dieser Eingriff kann jedoch zu Entzündungen und Vernarbungen führen und lässt sich zudem bei Kindern unter zwei Jahren nicht durchführen.

Stammzellen in der Linsenhülle

Kang Zhang von der University of California in San Diego und seine Kollegen haben daher nach einer schonenderen Therapiemethode gesucht. Ihre Idee: Warum nicht die von Natur aus im Auge vorhandenen Stammzellen dazu bringen, selbst eine neue Linse zu produzieren. Denn in der Umhüllung der Augenlinse sitzen Linsenepithel-Stammzellen, die während unseres gesamten Lebens Linsenzellen nachproduzieren.

Eingetrübte Augenlinse bei einem Patienten mit Grauem Star. © Rakesh Ahuja/ CC-by-sa 3.0

Bisher wurde diese Linsenhülle bei Grauer-Star-Operationen mit entfernt, weil man ungeordnete Wucherungen dieses Gewebes verhindern wollte. Doch Zhang und seine Kollegen haben nun eine mikrochirurgische Methode entwickelt, bei der nur ein sehr kleiner Schnitt seitlich im Auge gemacht wird. Durch diesen wird das getrübte Linsenmaterial angesaugt, ohne dass die Linsenhülle beschädigt wird.

Linsengewebe wächst von alleine nach

Der Rest geschieht nun von ganz allein – durch die Selbstheilungskraft des Körpers: „Vier bis fünf Wochen nach dem Eingriff wuchs neues Linsengewebe symmetrisch von den Seiten der Linsenkapsel ins Innere ein“, berichten die Forscher. Nach sieben Wochen war aus diesem Gewebe eine durchsichtige, bikonvexe Linse entstanden. Ihre Lichtbrechung erwies sich in Tests als ebenso gut wie die einer normalen, gesunden Augenlinse.

Aber würde dies auch beim Menschen funktionieren? Um das herauszufinden, führten Zhang und seine Kollegen eine Pilotstudie mit zwölf Kleinkindern durch, die an einem angeborenen Grauen Star litten. Auch ihnen wurde die getrübte Linse so schonend entfernt, dass die Stammzellen aktiv werden konnten.

Erste Tests mit Kindern erfolgreich

Und tatsächlich: Drei Monate nach dem Eingriff hatte sich auch bei den Kindern eine neue, gesunde Linse gebildet. Zunächst noch dünn, wuchs sie im Laufe von acht Monaten bis auf die normale Form und Stärke einer gesunden Augenlinse heran. „Die Augen der Kinder erlangten wieder ihre Funktion, sobald die neue Linse die Augenkapsel vollständig ausfüllte“, berichten die Forscher.

Die Sehschärfe der Kinder besserte sich dadurch genauso stark wie durch die herkömmliche Implantation einer künstlichen Linse, wie Sehtests ergaben. Gleichzeitig aber kam es wegen des kleineren Schnitts zu weniger Komplikationen wie Entzündungen und Narbenbildung als bei konventionell behandelten Patienten.

Methode auch für Ältere denkbar

Nach Ansicht der Forscher eröffnet ihre stammzellbasierte Methode ganz neue Möglichkeiten, den Grauen Star, aber auch andere Leiden zu behandeln. „Unser Erfolg repräsentiert einen neuen Ansatz, wie sich Organe und Gewebe regenerieren lassen – indem wir die Heilkraft unseres eigenen Körpers nutzen“, sagt Zhang.

Er und seine Kollegen halten es sogar für wahrscheinlich, dass ihre Methode auch beim altersbedingten Grauen Star funktioniert. Bei älteren Menschen sinkt zwar die Aktivität der Linsen-Stammzellen, diese Zellen sind aber prinzipiell vorhanden und aktiv. Es muss allerdings noch eine Methode gefunden werden, wie die getrübte Linse bei solchen Patienten ohne Beschädigung der Linsenhülle entfernt werden kann, denn sie ist im Alter härter als bei Kindern.

Dennoch sind die Forscher durchaus hoffnungsvoll: „Wir glauben, dass unser neuer Ansatz zu einem Paradigmenwechsel in der Katarakt-Chirurgie führen kann und dass dies Patienten künftig eine sicherere und bessere Therapieoption bietet“, so Zhang. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature17181)

(University of California – San Diego, 10.03.2016 – NPO)

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