Die Größe des Brustflecks und die Schnabelfarbe von männlichen Spatzen signalisieren Artgenossen Qualität und Dominanz. Jetzt haben Wissenschaftler nachgewiesen, dass zwar die Schnabelfarbe mit der Menge an Testosteron im Blut zusammenhängt, nicht aber wie zuvor angenommen auch die Größe des Brustflecks.
Spatzen leben in Gruppen. Unter den Männchen gibt es ganzjährig aggressive Auseinandersetzungen, um die Rangordnung zu klären. Äußerliche Merkmale wie Brustfleck und Schnabelfarbe – sogenannte Ornamente – dienen als Signale für Artgenossen. Je größer zum Beispiel der Kamm eines Hahnes, desto ranghöher ist der Träger. Für die Ausprägung vieler solcher sexuell selektierten Ornamente im Tierreich ist das Hormon Testosteron verantwortlich, das unter anderem dominantes und aggressives Verhalten fördert.
Allerdings sind unvermeidbare Kosten mit diesen Ornamenten verbunden, denn hohe Testosteronmengen im Blut schwächen das Immunsystem und die Resistenz gegen Stress, und auch das erhöhte Aggressionspotenzial kann unter Umständen für das Tier teuer werden. Daher nennt man die Ornamente auch „ehrliche Signale“, denn nur fitte Tiere können sich diese Kosten leisten.
Blutproben im Jahresverlauf
Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen interessierte nun nicht nur der Zusammenhang zwischen der Ausbildung der Ornamente männlicher Spatzen und der Testosteronmenge im Blut, sondern auch ob und wie sich die Zusammenhänge im Laufe des Jahres verändern. Die Forscher nahmen im frühen Herbst während der Mauser, im Januar, im März zu Beginn der Brutsaison und im Juni zur Hauptbrutsaison von 150 Sperlingsmännchen eine kleine Blutprobe und machten Fotos von Brust und Schnabel der Tiere.
„Der Jahreszeitenvergleich ist ein wichtiger Ansatz, da der Brustfleck bei der Mauser im Herbst angelegt wird, aber vielleicht erst in der Brutzeit von Bedeutung ist, wenn die weißen Federspitzen abgenutzt sind und der schwarze Brustlatz darunter deutlich erkennbar ist“, erklärt Silke Laucht, die diese Untersuchung ausführte.
Testosteron beeinflusst Schnabelfarbe
Wie die Wissenschaftler erwarteten, schwankte der Testosteronspiegel im Jahresverlauf, und war vor und während der Brutsaison am höchsten. Während der Mauser, wenn die Tiere am verletzlichsten sind, war er am niedrigsten. Auch der Zusammenhang zwischen der Schnabelfarbe und dem Testosteronspiegel war eindeutig: Je mehr Testosteron zu einer bestimmten Jahreszeit im Blut zirkulierte, desto dunkler war der Schnabel.
Brustfleck unabhängig von Hormonspiegel
Beim Brustfleck allerdings machten die Forscher eine verblüffende Entdeckung: Zu keiner Jahreszeit gab es einen Zusammenhang zwischen der Größe des Brustflecks und dem Testosteronspiegel im Blut. Ist also der Brustfleck doch kein Signal für Dominanz? „Andere Studien haben Korrelationen der Größe des Brustflecks mit dem Alter und der Körpergröße der Tiere gefunden“, sagt Laucht. Also könnte der Brustfleck ein Signal für eine nicht rein testosteronabhängige Dominanz sein.
Die umfangreiche, jetzt in der Fachzeitschrift „Behavioural Ecology and Sociobiology“ online veröffentlichten Studie hielt noch eine weitere Überraschung bereit: Männchen mit den höchsten Testosteronspiegeln während der Brutzeit wiesen nicht zwangsläufig auch die höchsten Spiegel während der Mauser auf. Wie können Ornamente während der Mauser ausgebildet werden und Monate später in der Brutsaison ehrlich ihre Informationen zeigen? Das ist für Laucht und ihre Mitautoren ein Widerspruch, den sie als nächstes aufklären wollen.
(Max-Planck-Gesellschaft, 07.06.2010 – NPO)