Dass sich Brieftauben beim Heimfinden auch am Geruch orientieren, ist bekannt. Jetzt aber haben Wissenschaftler festgestellt, dass dabei das rechte Nasenloch die entscheidende Rolle spielt: Vögel, deren rechtes Nasenloch blockiert wird, sind desorientiert und müssen ihren Flug häufig unterbrechen. Diese Beobachtung zeigt, dass die linke Gehirnhälfte, die über das rechte Nasenloch Geruchsinformationen erhält, von elementarer Bedeutung für die Orientierung der Tauben ist.
Die erstaunliche Fähigkeit von Brieftauben, zielsicher den Weg in den heimischen Taubenschlag zu finden, ist seit Jahrhunderten bekannt. Wissenschaftlern zufolge besitzen diese Vögel einen ausgeprägten Geruchssinn sowie ein gutes Erinnerungsvermögen für Düfte, mit dessen Hilfe sie sich bereits in der Jugend eine Art Duftlandkarte der Umgebung anlegen. Allerdings können Tauben offenbar nicht gleichermaßen gut über beide Nasenöffnungen Gerüche wahrnehmen. Das haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell gemeinsam mit italienischen Kollegen der Universitäten Pisa und Trient festgestellt
Heimflug mit GPS-Sender
Die Wissenschaftler untersuchten an 31 Brieftauben, welchen Einfluss es auf die Orientierung von Tauben hat, wenn die Vögel nicht mehr mit dem rechten Nasenloch riechen können. Dazu verschlossen die Forscher einer Gruppe in der Nähe von Pisa Hand-aufgezogener Tauben das linke Nasenloch, einer weiteren Gruppe das rechte. Nachdem sie auf dem Rücken der Tauben kleine GPS-Sender befestigt hatten, wurden die Vögel etwa 40 Kilometer vom Heimatort entfernt in der Nähe des toskanischen Städtchens Cigoli freigelassen.
Mehr Unterbrechungen, weiterer Umweg
Anhand der gewonnenen GPS-Daten beobachteten die Forscher, dass die Tauben mit einem verstopften rechten Nasenloch verschlungenere Wege flogen. Sie rasteten häufiger und verbrachten mehr Zeit damit, die Umgebung ihrer Rastplätze zu untersuchen als die Vögel, die durch das rechte Nasenloch atmen konnten.
„Wir nehmen an, dass sie pausieren mussten, um zusätzliche Informationen über ihre Umgebung zu gewinnen, da sie sich nicht am Geruch orientieren konnten“, erklärt Anna Gagliardo von der Universität Pisa. „Dieses Verhalten bestätigt nicht nur, dass in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Gerüchen ein Ungleichgewicht zwischen linker und rechter Seite besteht. Anscheinend spielen Gerüche, die auf das rechte Nasenloch treffen und die in der linken Gehirnhälfte verarbeitet werden, eine besondere Rolle bei der Navigation.“
Wie das Vogelhirn bestimmte Sinneswahrnehmungen verarbeitet und worin die Ursache für dieses Ungleichgewicht in der Geruchswahrnehmung liegt, wissen die Forscher dagegen noch nicht. (Journal of Experimental Biology, 2011; doi: 10.1242/jeb 049510)
(Max-Planck-Gesellschaft, 28.01.2011 – DLO)