Biologie

Tausendfüßer bricht Beinrekord

Forscher entdecken weltweit ersten Tausendfüßer mit mehr als tausend Beinen

Eumillipes persephone
Dieser in Westaustralien neuentdeckte Tausendfüßer ist nur knapp einen Millimeter dünn, besitzt aber 1.306 Beine. © Marek et al./ Scientific Reports

Beinreicher Krabbler: In Australien haben Forscher erstmals einen Tausendfüßer mit 1.306 Beinen entdeckt – ein tierischer Rekord. Denn die längsten bisher bekannten Myriapoden-Arten brachten es auf maximal 750 Beine. Ungewöhnlich ist an der neuen Spezies „Eumillipes persephone“ aber auch die Lebensweise, denn das nur knapp einen Millimeter dünne Tier haust bis zu 60 Meter tief im Untergrund. Erst eine Bohrung förderte es zutage, wie die Wissenschaftler berichten.

Tausendfüßer gehören zu den ältesten Landtieren unseres Planeten. Schon vor mehr als 400 Millionen Jahren besiedelten ihre Vorfahren die irdischen Landflächen und ernährten sich von Aas, organischem Material oder kleineren Beutetieren. Heute haben sich die Myriapoden über fast die gesamte Welt ausgebreitet und verschiedenste Überlebensstrategien entwickelt. Einige rollen sich zur Feindabwehr zu festen Kugeln zusammen, andere produzieren hochgiftige Alkaloide und andere Säfte, die dann wiederum von anderen Tieren zur Selbstmedikation oder Abwehr genutzt werden.

Kopf
Elektronenmikroskopische Aufnahme des Kopfes und der Mundwerkzeuge von Eumillipes persephone. © Marek et al./ Scientific Reports

1.306 Beine – der erste echte Millipede

Eines aber schienen alle Tausendfüßer gemeinsam zu haben: Anders als es ihr Name suggeriert, haben diese Arthropoden meist nur wenige Dutzende bis einige hundert Beine. „Bisher wurde noch nie ein Myriapode beschrieben, der mehr als 750 Beine besitzt“, erklären Paul Marek vom Virginia Institute of Technology und seine Kollegen. Dieser bisherige Rekordhalter ist die seltene, in Kalifornien heimische Art Ilacme plenipes mit 105 bis 171 Doppelsegmenten.

Doch jetzt haben Marek und sein Team den ersten Tausendfüßer entdeckt, der seinem Namen alle Ehre macht: Die Eumillipes persephone getaufte Spezies ist der erste Myriapode, der mehr als tausend Beine besitzt. Das extrem dünne Tier ist rund 95 Millimeter lang und trägt an seinen 330 Doppelsegmenten insgesamt 1.306 Beine, wie die Forscher feststellten. Auch dieser Tausendfüßer gehört zur Untergruppe der Doppelfüßer, die mehr als ein Beinpaar pro Segment aufweisen.

60 Meter tief im Untergrund

Gefunden wurde der neue Tausendfüßer an einem ungewöhnlichen Ort: Das Forschungsteam entdeckte ihn einem 60 Meter tiefen Bohrloch in Westaustralien, das eine Ölfirma nach einer Erkundungsbohrung hinterlassen hatte. „Insgesamt acht Exemplare dieser neuen Art wurden in drei solcher Bohrlöcher aus Tiefen von 15 bis 60 Metern geborgen“, berichten Marek und sein Team. Der beinreiche Myriapode ist demnach tief im Untergrund heimisch.

Zu dieser unterirdischen Lebensweise passen auch andere Merkmale des kleinen Tausendfüßers: Er besitzt keine Augen mehr, dafür aber besonders lange Antennen. Außerdem ist sein Körper blass, seitlich zusammengedrückt und die winzigen Beinchen sind selbst für einen Doppelfüßer relativ kurz, wie die Forscher erklären. Sie vermuten, dass sich diese Art so an die Fortbewegung und das Leben in den engen Gesteinsporen es tiefen Untergrunds angepasst hat.

Beinchen
Eumillipes hat zwar viele Beinchen, diese sind aber sehr kurz, wie diese elektronenmikroskopische Aufnahme verdeutlicht. © Marek et al./ Scientific Reports

Anpassungen ans Leben im Gestein

Auch die vielen Beine und teleskopartig ineinander greifende Körpersegmente helfen dem Tausendfüßer beim Vorankommen. „Die Zunahme der Beinzahl trägt wahrscheinlich dazu bei, dem Tier mehr Schubkraft beim Kriechen durch kleine Ritzen und Öffnungen zu verleihen“, so Marek und seine Kollegen. Wie sie beobachteten, tastet Eumillipes mit seinen vergrößerten Antennen zunächst die Umgebung ab, um eine geeignete Ritze zu finden. Dann quetscht sich das Tier mithilfe der Beine und flexiblen Segmente hindurch.

Diese Anpassungen an das Leben im Untergrund zeigen auch einige andere Tausendfüßer, darunter der frühere Beinrekord-Halter Ilacme plenipes. Weil diese Arten aber nur sehr entfernt verwandt sind und tausende Kilometer voneinander entfernt vorkommen, sehen die Wissenschaftler darin einen Beleg für eine konvergente Evolution: Innerhalb der Myriapoden sind solche Anpassungen mehrfach unabhängig voneinander entstanden.

Vom Klima in den Untergrund getrieben

Wahrscheinlich lebten die Vorfahren von Eumillipes einst wie die meisten Tausendfüßer oberirdisch. Dann aber könnte eine allmähliche Veränderung des Klimas sie in den Untergrund getrieben haben. „Die Klimabedingungen an der Oberfläche schwankten im Verlauf der Jahrmillionen erheblich, aber im Untergrund blieben sie relativ stabil“, so Marek und seine Kollegen. Die Ritzen und Poren im Gestein könnten daher für die Vorfahren des Myriapoden zur Zuflucht geworden sein.

Heute ist es an der Oberfläche des westaustralischen Fundorts tagsüber teilweise mehr als 46 Grad heiß und es regnet kaum. Im Untergrund bleibt es dagegen ganzjährig kühl und feucht. Was der Tausendfüßer dort frisst, ist noch unbekannt. Seine schnabelartige Mundpartie in Kombination mit der unterirdischen Lebensweise legt aber nahe, dass sich Eumillipes hauptsächlich von Pilzgewebe ernährt, wie die Wissenschaftler erklären. (Scientific Reports, 2021; doi: 10.1038/s41598-021-02447-0)

Quelle: Nature Scientific Reports

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