Kohlenmonoxid ist vor allem als Luftschadstoff bekannt. Im Körper von Menschen und Tieren richtet es aber nicht nur Schaden an, sondern übernimmt auch Kontrollfunktionen, wie jetzt Forscher aus Hannover gezeigt haben. Sie konnten in einer Studie nachweisen, dass Kohlenmonoxid die Beweglichkeit von Nervenzellen reguliert – zumindest bei afrikanischen Wanderheuschrecken.
Über ihre Untersuchungen am Darm-Nervensystem der Tiere berichten Sabine Knipp und Professor Gerd Bicker aus der Zellbiologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule (TiHo) Hannover in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Development“.
Neue Erkenntnisse zur Zellwanderung
Das Nervensystem des Heuschreckendarms entwickelt sich in großen Teilen ähnlich wie bei Wirbeltieren, allerdings ist es einfacher gebaut und deshalb leichter zu manipulieren. Es bietet somit ein ausgezeichnetes Untersuchungsmodell.
Knipp und Bicker haben sich bei ihren Untersuchungen auf Mitteldarmnervenzellen konzentriert. Sie entstehen auf dem Vorderdarm und wandern in einem charakteristischen Muster in einer Art Neuronen-Kolonne über die äußerste Gewerbeschicht des Darms zu ihrem endgültigen Wirkungsort, dem Mitteldarm.
Wird das Enzym blockiert, das dafür sorgt, dass Kohlenmonoxid freigesetzt wird, nimmt die Geschwindigkeit der Zellwanderung deutlich zu. Umgekehrt wurde die Fortbewegung der Nervenzellen durch die künstliche Zugabe von Kohlenmonoxid deutlich abgebremst, so die Forscher.
Zellinternes Verkehrsleitsystem
Die Ergebnisse dieser Studie legen aus ihrer Sicht nahe, dass das gasförmige Kohlenmonoxid als eine Art zellinternes Verkehrsleitsystem in der Lage ist, die Nervenzellen abzubremsen. So wird möglicherweise ein Auseinanderfallen der Neuronen-Kolonne verhindert und sichergestellt, dass keine „Abbiegespuren“ verpasst werden.
Bereits in einer vorangegangenen Studie konnte das Forscherteam zeigen, dass der gasförmige Botenstoff Stickstoffmonoxid für die Zellmigration während der Entwicklung des Heuschrecken Darmnervensystems essentiell ist. Wird die Synthese des Stickstoffmonoxids blockiert, verlangsamt sich die Geschwindigkeit der Nervenzellen drastisch. Stickstoffmonoxid hat also die zum Kohlenmonoxid entgegengesetzte Wirkung, so die Wissenschaftler.
Während Stickstoffmonoxid als neuronaler Botenstoff und regulatorisches Signalmolekül bereits anerkannt ist, konnten Knipp und Bicker erstmals auch für Kohlenmonoxid eine entwicklungsbiologische Funktion nachweisen.
Bald Fortschritte bei der Schädlingsbekämpfung?
In einem nächsten Schritt wollen die Zellbiologen der TiHo herausfinden, ob die Gastransmitter bei der Entwicklung von Wirbeltiernervensystemen ähnliche Funktionen haben. Außerdem soll die Forschung zur Entwicklungsbiologie des Heuschreckennervensystems intensiviert werden.
Solche Kenntnisse könnten unter anderem nützlich sein, um den Fressapparat dieses Schadinsekts bereits im Embryonalstadium auszuschalten und so einen Beitrag zur Schädlingsbekämpfung zu leisten.
(idw – Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, 07.01.2009 – DLO)