Biologie

Terra incognita unter dem Central Park

Boden des New Yorker Parks wimmelt vor unbekannten Organismen

Blick über den New Yorker Central Park © Punxutawneyphil/ CC-by-sa 2.0 gen

Wimmelnde Vielfalt: Selbst in einem so bekannten und städtischen Lebensraum wie dem New Yorker Central Park existieren unzählige unbekannte Lebewesen: 90 Prozent aller Organismen in Proben der Parkerde erweisen sich als bisher völlig unbekannt. Erstaunlich auch: Im Boden des Parks findet man fast genauso viele verschiedene Arten von Organismen wie auf einer Reise um die ganze Welt. Das belegt die erste systemische Durchmusterung des Park-Bodens.

Der New Yorker Central Park ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts fester Bestandteil der Millionenmetropole – und ein heute weltweit bekannter Ort. Auf nur 3,41 Quadratkilometern umfasst er einen See und mehrere Teiche, verschiedenste Rasenflächen und Wäldchen, einen gestalteten Garten sowie Reitwege, einen Zoo und Wildpark. Doch was unter dieser Landschaft lebt, war bisher völlig unbekannt – eine echte Terra incognita, wie Kelly Ramirez von der Colorado State University in Fort Collins und ihre Kollegen erklären.

Rasterfahndung über RNA

Um dies zu ändern, haben die Forscher erstmals eine systematische Bestandsaufnahme der Lebenswelt im Untergrund des Central Park durchgeführt. An 596 Orten innerhalb des Parks nahmen sie dafür Bodenproben – im Durchschnitt alle 50 Meter eine. Diese Proben analysierten sie nicht per Mikroskop oder Lupe, sondern nahmen für die Artbestimmung modernste Methoden der Genetik zu Hilfe.

Sie isolierten Abschnitte der ribosomalen RNA von Bakterien, Archaeen und höheren, zellkerntragenden Organismen aus den Proben und analysierten diese auf ihre Artzugehörigkeit hin. Dadurch erhielten sie einen umfassenden genetischen Schnappschuss der Biodiversität und der biogeografischen Muster im Untergrund des Central Park.

Entnahme einer Bodenprobe im Central Park © Noah Fierer

90 Prozent unbekannt

Das Ergebnis war überraschend: „Der Park-Untergrund beherbergt nicht nur eine sehr hohe Artenvielfalt, die meisten der von uns gefundenen Organismentypen sind zudem bisher unbeschrieben“, berichten die Forscher. Von den 122.081 verschiedenen Bakterien, 1.659 Archaeen und 43.429 Eukaryotenarten im Parkboden fanden sich nur für 8,5 bis 16,2 Prozent Einträge in entsprechenden Artenverzeichnissen und Datenbanken.

Und von denen, die bereits eingetragen waren, ist oft wenig mehr als die ribosomale RNA bekannt – wie diese Organismen aussehen und wie sie leben ist unbekannt. „Dieses Ergebnis stützt vorherige Annahmen, dass der größte Teil der Artenvielfalt im Boden nach wie vor unerforscht ist“, konstatieren Ramirez und ihre Kollegen. Selbst ein so zentraler und zugänglicher Lebensraum wie der Boden des Central Park birgt eine fast völlig unbekannte Lebenswelt.

Große Variationsbreite

Noch etwas fiel beim Auswerten der Bodenproben auf: Die Artenvielfalt im Untergrund des Central Park war ungewöhnlich hoch. Die Forscher stießen nicht nur auf eine insgesamt sehr hohe Artenzahl, auch die Variation zwischen den einzelnen Proben war sehr hoch. Bei zwei zufällig ausgewählten Proben stimmten in der Regel nur rund 19 Prozent der Bakterien und Archaeensorten überein und nur 13,5 Prozent der Eukaryoten, wie die Wissenschaftler berichten.

Dabei spielte es keine Rolle, wie nahe sich die Probenstandorte dabei lagen: „Orte, die eng beieinander lagen, hatten keine ähnlicheren Organismen-Gemeinschaften als diejenigen, die von entgegensetzten Enden des Parks stammten“, berichten Ramirez und ihre Kollegen. Den Grund dafür sehen sie in der mosaikartigen Bewirtschaftung des Parks. Weil er auf kleinstem Raum ganz unterschiedliche Landschaftsformen und Bodenverhältnisse in sich vereint, existieren auch viele verschiedene Gemeinschaften von Bodenorganismen eng nebeneinander.

Artenvielfalt in fast globalem Maßstab

Wie groß die Artenvielfalt im Untergrund des Central Parks ist, zeigt auch der Vergleich mit dem Artenspektrum von 52 Bodenproben, die in ganz unterschiedlichen Regionen der Erde genommen wurden – von der arktischen Tundra über Waldböden der gemäßigten Breiten und der Tropen bis hin zu Steppen und Savannen Afrikas und Asiens. Trotz seiner geringen Fläche enthielt der Parkboden nur rund 65 Prozent weniger Bakterien und Archaeen und 26 Prozent weniger Eukaryoten, wie die Forscher berichten. Selbst in den relativen Anteilen der verschiedenen Arten und Verwandtschaftsgruppen fanden sich erstaunliche Parallelen.

„Obwohl nicht alles überall vorkommt, können wir fast genauso viele Bodenarten und Artengemeinschaften in den 3,41 Quadratkilometern des Central Park finden als wenn wir einmal um die ganze Welt reisen würden“, konstatieren die Wissenschaftler. Ihrer Ansicht nach unterstreicht dies, wie wenig wir noch immer über die Lebenswelt wissen, die sich unter unseren Füßen verbirgt. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2014; doi: 10.1098/rspb.2014.1988)

(Royal Society, 01.10.2014 – NPO)

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