Biologie

Tiere: Formwandel durch Klimaerwärmung?

Höhere Temperaturen könnten längere Schnäbel, Ohren und Beine begünstigen

Fenek
Der Wüstenfuchs ist ein klassisches Beispiel für die Allensche Regel – eine Vergrößerung der Körperanhänge in Anpassung an ein wärmeres Klima. © wrangel/ Getty images

Es hat schon begonnen: Die globale Erwärmung beeinflusst nicht nur die Verbreitung vieler Tierarten, sondern auch ihre Gestalt. Bei ersten Vögeln und Kleinsäugern ist bereits erkennbar, dass Körperanhänge wie Schnäbel, Ohren oder Beine mit der Zeit länger und größer werden, wie Forscher berichten. Dies hilft den Tieren, überschüssige Wärme besser abzugeben und könnte daher ein Anpassung an die steigenden Temperaturen in ihrem Lebensraum sein.

Das Klima beeinflusst nicht nur die Verteilung von Tier- und Pflanzenarten, auch die Körpergröße und Gestalt vieler Tiere spiegelt wider, ob sie in kalten oder warmen Klima leben. So sind beispielsweise Polarfüchse, Eisbären und viele arktische Kleinsäuger entsprechend der Bergmannschen Regel größer als ihre Verwandten in südlicheren Gefilden. Die im Verhältnis zum Volumen geringere Oberfläche verringert den Verlust von Körperwärme.

Umgekehrt sind viele gleichwarme Tiere in wärmeren Regionen kleiner, aber auch weniger kompakt: Körperanhänge wie Ohren, Schwänze, Beine und Schnäbel sind bei ihnen oft größer und länger, weil über sie vermehrt überschüssige Wärme nach außen abgeleitet werden kann. Dies entspricht der sogenannten Allenschen Regel.

Waldmaus
Bei Waldmäusen gibt es schon jetzt Anzeichen für eine Vergrößerung der Ohren in Anpassung an den Klimawandel.© Laura Fokkema/ Getty images

Verändert der Klimawandel die Körperproportionen?

Was aber ist, wenn sich das Klima einer Region mit der Zeit ändert – beispielsweise durch den aktuellen Klimawandel? Erste Anzeichen für eine Anpassung der Körpergröße nach der Bergmannschen Regel haben Wissenschaftler schon vor rund zehn Jahren beobachtet. Demnach zeigt sich bei einigen Tierarten schon jetzt ein Trend zur verringerten Größe.

Ob der Klimawandel auch die Gestalt der Tiere verändert, haben nun Sara Ryding von der Deakin University in Australien und ihre Kollegen in einer Überblicksstudie untersucht. Dafür werteten sie die bisher dazu veröffentlichten Publikationen aus. „Wir wollten wissen, wo die Klimaerwärmung eine mögliche Erklärung für sich verändernde Körperformen bei Tieren ist, und Beispiele aufzeigen, die Einblick darin geben, warum bestimmte Tiere diesen Formwandel zeigen“, schreibt das Forschungsteam.

Erste Veränderungen bei Vögeln, Mäusen und Fledermäusen

Das Ergebnis: „Wir stellen fest, dass es bereits weitverbreitete Belege für einen ‚Formwandel‘ bei endothermen Tieren in Reaktion auf den Klimawandel und die damit verknüpfte Erwärmung gibt“, berichten Ryding und ihre Kollegen. So hat sich der Schnabel einiger australischer Papageienarten seit 1871 um vier bis zehn Prozent vergrößert – und der wahrscheinlichste Auslöser dafür sind die steigenden Sommertemperaturen in ihrem Lebensraum. Auch bei Kohlmeisen und Haussperlingen wurde ähnliches beobachtet.

Veränderungen der Körperproportionen gibt es auch bei einigen Spitzmäusen, Fledermäusen und anderen Säugetieren. So haben einige Waldmauspopulationen inzwischen größere Ohren als früher, die im hohen Norden Nordamerikas heimische Maskenspitzmäuse (Sorex cinereus) haben längere Beine und Schwänze. Die in Asien vorkommende Rundblattfledermaus (Hipposideros armiger) hat dagegen ihre Flügellänge erhöht.

„Es ist bemerkenswert, dass die von uns aufgeführten Beispiele aus einer breiten Spanne geografischer Regionen stammen – von der Arktis bis zu den tropischen Gebieten Australiens“, schreiben Ryding und ihre Kollegen.

Kombination aus direkten und indirekten Effekten

Nicht immer ist in solchen Fällen eindeutig feststellbar, ob wirklich die Erwärmung per se für diesen Formwandel sorgt, wie das Team betont. Denn auch indirekte Effekt wie Veränderungen der Luftfeuchtigkeit oder des Nahrungsangebots können sich auf die Körpergröße und -gestalt auswirken. Allerdings zeigen Laborexperimente unter anderem mit Mäusen, Schweinen und Wachteln, dass höhere Temperaturen im Laufe der Zeit auch direkt zu einer Vergrößerung der Körperanhänge führen können.

In der Natur sind die Indizien für einen klimabedingten Formwandel bei Tieren noch sehr subtil: „Bisher fallen solche Längenzunahmen der Körperanhänge eher gering aus – weniger als zehn Prozent“, sagt Ryding. „Daher sind sie nicht sofort bemerkbar. Aber den Prognosen nach werden gerade prominente Anhänge wie Ohren weiter an Größe zunehmen. Wir könnte demnach eines gar nicht so fernen Tages einen echten Dumbo erleben.“

Star
Der Star (Sturnus vulgaris) könnte in Anpassung an die Erwärmung einen größeren Schnabel ausbilden.© Liz Leyden/ Getty images

Welche Tiere reagieren am stärksten?

Es gibt auch erste Prognosen dazu, welche Tiere am stärksten zu einem klimabedingten Formwandel neigen: „Tiere, die schon jetzt der Allenschen Regel folgen wie der Grasfrosch (Rana temporaria), der Star, die Singammer und eine Reihe von Meeresvögeln und Kleinsäugern sind die wahrscheinlichsten Kandidaten“, schreiben die Forschenden. Bei diesen Tieren ist am ehesten zu erwarten, dass sich ihre Ohren, Beine oder Schwänze mit zunehmender Erwärmung vergrößern.

In welchen Regionen diese Veränderungen am stärksten beobachtbar sein werden, hängt von den Klimaanforderungen der einzelnen Tierarten ab. Bei einigen kann es schon ausreichen, wenn die Winter milder werden, bei anderen können häufigere Hitzetage oder wärmere Sommer zum Auslöser werden. „Die bisherige Beobachtungen deuten daraufhin, dass sowohl die zunehmende Häufigkeit von Wetterextremen als auch der allgemeine Anstieg der Temperaturen morphologische Verschiebungen auslösen kann“, so das Team.

Ökologische Folgen noch unklar

Nach Ansicht von Ryding und ihrem Team sind diese tierischen Anpassungen an den Klimawandel eher ein Warnsignal als ein Grund zur Erleichterung. „Es bedeutet nur, dass diese Tiere sich weiterentwickeln, um zu überleben. Aber wir sind nicht sicher, welche weiteren ökologischen Folgen diese Veränderungen nach sich ziehen“, so Ryding. Zweifelhaft sei auch, ob alle Tierarten zu dieser Art der Anpassung fähig seien.

In jedem Falle plädieren die Forschenden dafür, den klimabedingten Formwandel von Tieren besser und umfassender zu untersuchen. Denn nur dann könne man besser einschätzen, welche Folgen der Klimawandel auf die Tierwelt habe. (Trends in Ecology & Evolution, 2021; doi: 10.1016/j.tree.2021.07.006)

Quelle: Cell Press

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