Biologie

Tintenfische können zählen

Zahlensinn der Kopffüßer erkennt kleine Mengenunterschiede sogar besser als ein Kleinkind

Der Tintenfisch Sepia pharaonis kann zumindest bis fünf zählen, wie ein Experiment belegt. © gemeinfrei

Clevere Kopffüßer: Tintenfische haben einen Sinn für Zahlen, wie nun ein Experiment enthüllt. Sepien können beispielsweise auf Anhieb erkennen, ob in einem Becken vier oder fünf Garnelen schwimmen. An dieser Aufgabe scheitern sogar Affen und menschliche Kleinkinder. Dass die Tintenfische dabei richtig zählen, beweist ihr längeres Zögern bei größeren Mengen. Ihr Zahlensinn ist damit mindestens so gut wie der von Primaten, wie die Forscher im Fachmagazin “ Proceedings of the Royal Society B“ berichten.

Tintenfische gelten schon länger als ziemlich clever. Sie lernen sehr schnell, nutzen raffinierte Beutefang-Tricks und sogar Werkzeuge. So sammeln beispielsweise einige Tintenfische gezielt Kokosnuss-Schalen und anderes Baumaterial, um sich daraus Wohnhöhlen zu bauen – und nehmen dieses Material sogar beim Umzug mit.

Garnelen als Zählobjekte

Unbekannt war aber bisher, ob die cleveren Kopffüßer auch zählen können, wie es beispielsweise von Affen, Krähen, Tauben und Hunden sowie Wölfen bekannt ist. Diese Tiere können verschiedene Mengen von Punkten oder Futterobjekten unterscheiden.

Um das zu klären, stellten Tsang-I Yang und Chuan-Chin Chiao von der Tsing Hua Universität in Taiwan nun Tintenfische der Art Sepia pharaonis auf die Probe. Sie präsentierten den Sepien dafür jeweils zwei Gruppen von Garnelen in durchsichtigen Plastikboxen und beobachteten, für welche sich der Tintenfisch entschied. Zunächst hatte er die Wahl zwischen einer und fünf Garnelen, dann galt es, auch engere Abstände wie zwei versus drei oder vier versus fünf zu unterscheiden.

Besser als menschliche Kleinkinder

Das Ergebnis: Bei deutlichen Mengen unterschieden zögerte der Tintenfisch kaum und schwamm in den meisten Fällen auf das Becken mit der größeren Beutemenge zu. „Der Tintenfisch wählte die Seite mit den fünf Krebsen signifikant häufiger als die mit nur einer Garnele darin“, berichten Yang und Chiao. „Das zeigt, dass die Tintenfische leicht zwischen diesen stark unterschiedlichen Mengen differenzieren können.“

Ein Tintenfisch beim Zähltest im Aquarium. © Tsang-I Yang

Aber die Sepien ließen sich auch von knapperen Unterschieden nicht verwirren: Selbst wenn das Verhältnis bei zwei zu drei oder vier zu fünf lag, erkannten die Tintenfische, in welchem Becken die höhere Anzahl an Beute wartete. Damit aber schneiden die cleveren Kopffüßer sogar besser ab als menschliche Kleinkinder unter einem Jahr oder Rhesusaffen, denn diese kommen bei vier versus fünf ins Straucheln, wie die Forscher berichten.

Echtes Zählen

Nach Ansicht von Yang und Chiao demonstriert dieses Experiment, dass Tintenfische von Natur aus einen Sinn für Mengen und Zahlen besitzen. Denn im Gegensatz zu einigen anderen Tieren mussten sie dies nicht erst lange lernen, sondern erkannten die Unterschiede auf Anhieb. Interessant dabei: Je höher und näher beieinander die Zahlen lagen, desto länger benötigte der Tintenfisch, um seine Entscheidung zu treffen.

„Das spricht dafür, dass der Tintenfisch tatsächlich zählte und nicht die Mengen auf einen Blick erkannte“, sagen die Forscher. Damit entspricht sein Zahlensinn einem der beiden Mechanismen, mit dem wir Menschen Zahlen erkennen. Denn Mengen bis vier erfassen wir auf einen Blick, ohne die Objekte einzeln zählen zu müssen. Bei größeren Mengen dagegen müssen wir entweder zählen oder schätzen die Unterschiede nur grob ab – ähnlich scheint es bei den Tintenfischen zu sein.

Manchmal ist weniger mehr

Die Kopffüßer bewiesen noch in einem weiteren Aspekt ihre Cleverness: Hatten sie die Wahl zwischen einer dicken, großen Garnele und zwei nur halb so großen, bestimmte ihr Hunger die Entscheidung: Waren sie hungrig, wählten sie die zahlenmäßig geringere, aber größere Beute. Waren sie dagegen noch satt, entschieden sie sich für die beiden kleineren Garnelen, wie die Forscher beobachteten.

Die Logik dahinter: Das Fangen der großen Garnele kostet mehr Energie und lohnt sich daher eher, wenn dringend Futternachschub nötig ist. „Ähnliches findet man sogar beim Menschen: Er wird bei finanziellen Entscheidungen risikofreudiger, wenn er Hunger hat“, berichten Yang und Chiao. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2016; doi: 10.1098/rspb.2016.1379)

(Royal Society, 24.08.2016 – NPO)

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