Mysteriöse Seuche: Seit 2013 rafft eine rätselhafte Krankheit immer mehr Seesterne dahin. Jetzt haben Biologen auch in europäischen Gewässern erste Fälle dieser „Sea Star Wasting Disease“ (SSWD) entdeckt. Mehrere vor der Ostküste von Irland gefangene Exemplare des Gemeinen Sonnensterns erkrankten und starben. Sollte sich diese Seuche weiter in Europas Meeren ausbreiten, könnte dies zu einem Massensterben von Seesternen mit erheblichen ökologischen Folgen führen.
Überall auf der Welt erkranken inzwischen Seesterne an einer rätselhaften Krankheit: Ihre Haut entfärbt sich und entwickelt Geschwüre, die Arme krümmen sich und verkrüppeln zusehends, bis sie schließlich ganz abfallen. Im letzten Stadium beginnen sich innere Organe nach außen zu stülpen und das Tier stirbt. Diese 2013 vor der Pazifikküste der USA erstmals beobachtete „Sea Star Wasting Disease“ (SSWD) hat sich seither in den westlichen Nordatlantik, ins Mittelmeer und bis nach Australien ausgebreitet. Bei mehr als 20 Seesternarten kam es dadurch schon zu Massensterben.
Sonnensterne in der Irischen See betroffen
Jetzt haben Samuel Smith von der Queen’s University Belfast und seine Kollegen die ersten Fälle dieser Seestern-Krankheit auch in europäischen Gewässern nachgewiesen. Für ihre Studie hatten die Biologen rund ein Dutzend Exemplare des Gemeinen Sonnensterns (Crossaster papposus) aus Krabbenkörben in der Irischen See gesammelt. Die Tiere wurden ins Labor gebracht und dort in den Meerwasser-Aquarien gehalten.
Schon bald zeigten die Tiere erste Anzeichen der Seuche: „Nach fünf Tagen traten bei den anfangs gesund scheinenden Seesternen erste Symptome der Sea Star Wasting Disease auf“, berichten die Forscher. Die Sonnensterne entwickelten weiße Flecken, ihre Körper krümmte sich und sie wurden abnormal schlaff. In den folgenden Tagen verschlimmerten sich die Symptome, bis schließlich zwei Drittel der Seesterne tot waren.
Ausbreitung bei heimischen Arten befürchtet
„Diese Beobachtungen repräsentieren die ersten Fälle der Seestern-Krankheit in Europa“, berichten die Forscher. „Sie belegen, dass auch in Europa heimische Seestern-Arten anfällig für diese Seuche sind.“ Möglicherweise ist die SSWD in europäischen Gewässern schon deutlich weiter verbreitet als bisher angenommen. „Der Sonnenstern lebt jenseits der Gezeitenzone und daher könnten Massenaussterben dieser Art unerkannt geblieben sein“, so die Forscher. Auch einige Massensterben andere Seesternarten ungeklärter Ursache könnten auf die Seuche zurückgehen.
Bei weiterer Ausbreitung der Seestern-Krankheit sind erhebliche ökologische Folgen zu befürchten: „Viele Seesterne sind wichtige Schlüssel-Prädatoren in ihren Ökosystemen, die unter anderem die Zusammensetzung der Wirbellosen-Fauna am Meeresgrund regulieren“, erklären die Biologen. So ist der Gemeine Sonnenstern unter anderem ein wichtiger Fressfeind für andere Stachelhäuter, darunter den Gemeinen Seestern Asterias rubens. Fehlt der Sonnenstern, können beispielsweise Massenvermehrungen dieser Seesterne die Folge sein.
Wärme und Umweltstress als mögliche Auslöser
Bisher ist unbekannt, wer oder was diese Seestern-Krankheit auslöst. Es gibt aber Hinweise darauf, dass schwankende Meerestemperaturen, Wärmeperioden und andere Stressfaktoren den Ausbruch der SSWD begünstigen. „Was auch immer der Auslöser sein mag – die SSWD-Symptome schreiten in Perioden instabiler Umweltbedingungen schneller voran“, erklären Smith und seine Kollegen. Auch die von ihnen untersuchten Sonnensterne wurden während einer anomal warmen Wetterphase im Frühjahr 2022 gefangen.
Nach Ansicht der Forscher ist dieser mögliche Zusammenhang zum Klima ein Grund zur Sorge: Klimaprognosen sagen für die kommenden Jahre steigende Meerestemperaturen und zunehmende Wetterextreme voraus – auch an den europäischen Küsten. Dies könnte den Befall der Seesterne in unseren Gefilden vorantreiben. „Weitere Forschungen zu den Mechanismen der SSWD und den Verläufen dieser Krankheit sind daher dringend nötig, um das wahre Ausmaß dieser Krankheit und ihre Folgen zu erfassen“, konstatieren Smith und seine Kollegen. (Biology Letters, 2022; doi: 10.1098/rsbl.2022.0197)
Quelle: Royal Society Biology Letters