Überraschend brutal: Im Regenwald Indonesiens haben sich zwei wilde Orang-Utan-Weibchen einen tödlichen Kampf geliefert. Unterstützt von ihrem männlichen „Bodyguard“ biss und schlug eine Äffin ihre Artgenossin so lange, bis diese schwerverletzt am Boden lag. Ein solcher Gewaltausbruch zwischen Weibchen wurde bei diesen Menschenaffen noch nie zuvor beobachtet, wie die Biologen berichten. Auch das „Anheuern“ eines männlichen Helfers sei extrem außergewöhnlich.
Menschenaffen können durchaus aggressiv werden. Davon zeugen Schimpansen, die Rivalen attackieren, gemeinsam Jagd auf andere Affen machen oder gegen konkurrierende Trupps vorgehen. Sogar eine nervende Kameradrohne wurde schon von einer Zoo-Schimpansin attackiert.
Schwere Aggressionen oder sogar tödliche Angriffe von Menschenaffen-Weibchen untereinander sind jedoch extrem selten, bei Orang-Utans waren sie bisher sogar völlig unbekannt. Was Anna Marzec von der Universität Zürich und ihre Kollegen im Sommer 2014 im Sumpfwald des Mawas Naturparks in Indonesien beobachteten, schockierte daher selbst die Biologen.
Plötzliche Attacke
Der Kampf begann, als das junge Weibchen Kondor, die gerade ihr Junges verloren hatte, plötzlich ihre Paarung mit einem Männchen unterbrach und das ältere Weibchen Sidony angriff. Sie biss und schlug ihre Artgenossin. Das Männchen beteiligte sich kurz darauf am Kampf. Abwechselnd attackierte einer der beiden Sidony, während der andere ihr den Fluchtweg verstellte.
Erst nach 33 Minuten des ungleichen Kampfes kam ein weiteres Orang-Utan-Männchen der angegriffenen Sidony zu Hilfe. Doch es war schon zu spät: Sie hatte so schwere Verletzungen erlitten, dass sie zwei Wochen später starb.
„Noch nie zuvor beobachtet“
Ungewöhnlich ist dieser Kampf mit tödlichem Ausgang aus gleich zwei Gründen, wie die Forscher erklären. Zum einen waren so schwere Aggressionen zwischen Weibchen bisher bei diesen Menschenaffen unbekannt. In den mehr als zehn Jahren der Beobachtungen im Mawas Naturpark haben Marzec und ihre Kollegen nur sechs aggressive Auseinandersetzungen zwischen Weibchen beobachtet – keine davon führte zu Verletzungen.
Hinzu kommt, dass die Orang-Utan-Weibchen normalerweise nur wenig mit ihren Artgenossinnen zu tun haben. Denn sie leben meist allein nur mit ihrem Nachwuchs und selbst Männchen treffen sie nur zur Paarungszeit. Warum Kondor ihre Artgenossin angriff, ist bisher unbekannt.
Männchen als angeheuerter Schläger
Zum andern aber ist die aktive Beteiligung des Männchens ungewöhnlich: Die Angreiferin rekrutierte ihn gewissermaßen als Schläger und beide gemeinsam bildeten ein Team, das koordiniert attackierte.
„Das ist völlig unerwartet, weil bei wilden Orang-Utans noch nie zuvor Koalitionen von Männchen und Weibchen beobachtet wurden“, sagt Marzec. „Es ist der erste Fall, bei dem ein männlicher Orang-Utan ein Weibchen bei einem Konflikt mit tödlichen Ausgang unterstützt.“
Nach Ansicht der Forscher demonstriert dieser Fall, dass weibliche Orang-Utans in ihrer sexuell aktiven Phase einen unerwartet großen Einfluss auf Männchen haben. „Sie bringen die Männchen dazu, ihnen Dienste zu leisten – und das bei einer Art, die bisher eher für männliche Dominanz beim Sex bekannt war“, so Marzec und ihre Kollegen. (Behavioral Ecology and Sociobiology, 2016; doi: 10.1007/s00265-015-2053-3)
(Springer Science and Business, 04.02.2016 – NPO)