Biotechnologie

Tomate: Aus wild mach kultiviert

Genschere CRISPR erschafft innerhalb von nur einer Generation eine neue Kulturpflanze

Mehr und größere Früchte: Die neue Tomate (rechts) hat verschiedene Merkmale, die sie von der Wildpflanze unterscheiden. © Agustin Zsögön/ Nature Biotechnology

Die Gentechnik machts möglich: Forscher haben innerhalb von nur einer Generation aus einer Wild- eine Kulturpflanze gemacht. Mithilfe der Genschere CRISPR/Cas 9 verwandelten sie eine wilde Tomatenart in eine Zuchttomate mit größeren Früchten und mehr Ertrag. Der Clou: Anders als viele heutige Nutzpflanzen hat diese neue Tomate gleichzeitig ihre wertvollen „wilden“ Eigenschaften wie einen höheren Nährstoffgehalt behalten. Die Methode berge ein enormes Potenzial für die Landwirtschaft, schreibt das Team im Fachmagazin „Nature Biotechnology“.

Ob Weizen, Mais oder Tomate: Mit der Erfindung der Landwirtschaft begann der Mensch, Nahrungspflanzen anzubauen und gezielt zu züchten. Dabei veränderte er diese Pflanzen nach und nach, um sie seinen Bedürfnissen anzupassen. So entstanden im Laufe von Jahrtausenden Kulturpflanzen mit mehr und größeren Früchten. Ihren wilden Vorfahren ähneln diese auf möglichst viel Ertrag ausgelegte Züchtungen oft nur noch entfernt.

Damit ist ein entscheidender Nachteil verbunden: Als Nebenwirkung führt der Zuchtprozess zu einer geringeren genetischen Vielfalt und zum Verlust zahlreicher nützlicher Eigenschaften – von der Resistenz gegenüber Krankheitserregern und Trockenheit bis hin zu einem hohen Vitamin- und Nährstoffgehalt. Eigenschaften wie diese sind unter anderem angesichts des Klimawandels und der wachsenden Weltbevölkerung jedoch zunehmend wieder gefragt. Was also tun?

Genetische Veränderungen

Wissenschaftler um Augustin Zsögön von der University of Minnesota in Minneapolis haben sich die Frage gestellt, ob sich wichtige Nahrungspflanzen noch einmal neu und anders domestizieren lassen – im Turboverfahren. Dies testeten sie am Beispiel der Tomate: Bei der wilden Art Solanum pimpinellifolium veränderten sie mithilfe der Genschere CRISPR/Cas 9 gleichzeitig sechs Gene, die unter anderem bedeutsam für den Ernteertrag sind.

Auf diese Weise sollte der südamerikanische Vorfahre heutiger Kulturtomaten für den landwirtschaftlichen Anbau fit gemacht werden, gleichzeitig aber seine wertvollen „wilden“ Eigenschaften behalten. So sind die Früchte der Wildtomate deutlich aromatischer als moderne Tomaten und sie enthalten mehr Lycopin – ein als gesund geltendes Antioxidans.

Gesundheitlicher Mehrwert

Das Experiment glückte: Innerhalb von nur einer Generation schufen die Forscher eine neue Kulturpflanze. Diese produziert im Vergleich zur Ausgangstomate zehnmal so viele und dreimal so große Früchte, die damit nun etwa die Größe einer Cocktailtomate erreichen. Außerdem ist die Form der neuen Tomatenfrüchte ovaler. Diese Eigenschaft ist beliebt, weil die ovalen Früchte bei Regen weniger schnell aufplatzen als ihre runden Verwandten.

Darüber hinaus enthalten die neuen Tomaten doppelt so viel Lycopin wie die wilde Ausgangsart, im Vergleich zu konventionellen Cocktailtomaten ist der Gehalt sogar mehr als fünfmal so hoch. „Das ist eine ganz entscheidende Neuerung, die man mit Kulturtomaten durch Zucht nicht erzielen kann. Lycopin kann helfen, Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen vorzubeugen – unsere Tomate hat unter gesundheitlichen Aspekten also wahrscheinlich einen Mehrwert gegenüber konventionellen Zuchttomaten“, sagt Mitautor Jörg Kudla von der Universität Münster.

„Enormes Potenzial“

Die neue Kulturtomate beweist, dass die Gentechnik aus wilden Pflanzen innerhalb kürzester Zeit Nutzpflanzen mit optimalen Merkmalen machen kann. „Viele einst verlorengegangene Eigenschaften wie die Widerstandsfähigkeit könnten normalerweise nur durch eine jahrzehntelange, mühselige Rückkreuzung mit der Wildpflanze wiedergewonnen werden – wenn überhaupt“, sagt Kudla. „Mit der modernen Genom-Editierung können wir dieses Zuchtproblem lösen.“

In Zukunft ließen sich auf diese Weise nicht nur Tomaten, sondern auch Mais, Weizen und Co gezielt an heutige Bedürfnisse anpassen und schlussendlich zu besseren Kulturpflanzen machen. Doch nicht nur das: Den Wissenschaftlern zufolge ebnet sich dadurch auch der Weg für den Anbau bisher kaum genutzter Arten.

Pflanzen, die beispielsweise sehr gesund sind, könnten durch gezielte Vergrößerung ihrer Früchte oder Verbesserung anderer Domestikationsmerkmale demnach in völlig neue Nutzpflanzen verwandelt werden. „Die molekulare ‚De-novo-Domestikation‘ birgt ein enormes Potenzial“, schließt Kudla. (Nature Biotechnology, 2018; doi: 10.1038/nbt.4272)

(Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 04.10.2018 – DAL)

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