Rückkehr der Bäume: Wenn Wälder auf kahlen Flächen nachwachsen, erholen sich die Ökosysteme schneller als gedacht, wie eine Studie enthüllt. Demnach erreichen nachgewachsene Tropenwälder schon nach 20 Jahren fast 80 Prozent der Bodenfruchtbarkeit, Kohlenstoffspeicherung und Baumvielfalt von Urwäldern. Bis allerdings auch die Artenzusammensetzung und Biomasse wieder der ursprünglichen nahekommen, dauert es mindestens 120 Jahre, wie Forscher in „Science“ berichten.
Wälder sind grüne Lungen und wichtige Klimapuffer unseres Planeten. Doch ihre Fläche geht rasant zurück. Ob am Amazonas, in Südostasien oder in Europa – in vielen Regionen hat die Waldrodung in den letzten Jahren noch zugenommen. Allerdings gibt es auch Gebiete, in denen sich die Bäume ihr Territorium zurück erobern – sei es, weil Äcker aufgegeben wurden oder weil bewusst Flächen für die Wiederbewaldung in Ruhe gelassen wurden.
Waldflächen auf drei Kontinenten und in 77 Regionen
Das aber wirft die Frage auf, wie schnell sich solche nachwachsenden Wälder regenerieren – und wie nahe kommen sie ökologisch an ursprüngliche, alte Wälder heran? Um das herauszufinden, haben Lourens Porter von der Universität Wageningen und seine Kollegen sich die Regeneration von Tropenwäldern an 77 Standorten und 2.2275 Testflächen auf drei Kontinenten näher angeschaut. Dabei erfassten sie Waldstücke vom ersten Jahr ihres Nachwachsens bis zu gut 120 Jahre altem Sekundärwald.
Um den ökologischen Zustand dieser Wälder zu beurteilen, untersuchte das Forschungsteam für jede Waldfläche zwölf Parameter aus vier funktionalen Gruppen: der Bodenfruchtbarkeit, der Pflanzenbiomasse, der Waldstruktur und der Artenvielfalt. „Diese vier Gruppen sind Schlüsselkomponenten der Ökosystemfunktion. Ihre Regeneration zu kennen, ist daher Voraussetzung für globale Maßnahmen zur Erhaltung der Artenvielfalt, des Klimaschutzes und der Aufforstung“, erklären die Wissenschaftler.
Boden und Pflanzenfunktion erholen sich am schnellsten
Die Auswertungen enthüllten Überraschendes: In einigen Aspekten erholten sich die nachwachsenden Wälder weit zügiger als erwartet. Die Böden waren dabei am schnellsten. „Wir haben erwartet, dass die Bodenerholung langsamer verläuft als die Regeneration der Vegetation“, schreibt das Team. Doch die Böden benötigten nur rund zehn Jahre, um in ihren Eigenschaften fast wieder denen von Urwäldern zu entsprechen.
Ebenfalls unerwartet rapide näherte sich die Pflanzendichte wieder dem Ursprungszustand an: Im Schnitt dauerte es nur rund 25 Jahre, bis Baumdichte und Blattfläche einen Stand von 82 bis 100 Prozent der Urwaldwerte erreichten. Zum Teil führen die Forschenden dies darauf zurück, dass viele Baumarten auch nach längerer Zeit noch aus alten, unter Felder und Weiden liegenden Wurzeln oder Samen neu ausschlagen können.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass viele Sekundärwälder schon nach rund 20 Jahren etwa 78 Prozent der Attribute wieder erlangen können, die ursprüngliche, alte Wälder charakterisieren.
Waldstruktur, Artenvielfalt und Biomasse hinken hinterher
Allerdings gilt dies nicht für alle Eigenschaften, die das intakte Ökosystem eines alten Walds kennzeichnen: Die Waldstruktur und Artenvielfalt beispielsweise nähert sich im Schnitt erst nach 25 bis 60 Jahren an die Urwaldwerte an, wie Porter und seine Kollegen zu ihrer Überraschung feststellten. Denn sie hatten erwartet, dass diese Bereiche sich schneller erholen als die Böden.
Am längsten dauert es jedoch, bis ein nachgewachsener Wald auch wieder die Biomasse und Artenzusammensetzung erreicht, die einem Urwald entspricht. Dafür sind mindestens 120 Jahre nötig, wie das Team ermittelte. Sie führen dies unter anderem darauf zurück, dass manche waldtypische Tier- und Pflanzenarten sich erst wieder ansiedeln, wenn genügend alte Bäume und Schatten vorhanden sind.
Auch Sekundärwälder sind wertvoll
Trotz dieser teils langen Erholungszeiten zeigen diese Resultate nach Ansicht der Forscher, dass die natürliche Regeneration von Wäldern eine kostengünstige und naturbasierte Lösung für den Klimaschutz, den Erhalt der biologischen Vielfalt und die Wiederherstellung von Ökosystemen darstellt. „Die lokale und globale Bedeutung von Sekundärwäldern macht sie sehr schützenswert“, sagt Koautor Florian Oberleitner von der der Universität Innsbruck.
„Es gibt allerdings kein Wundermittel für ihre Wiederherstellung, und es kann erforderlich sein, die Regeneration aktiv zu unterstützen“, betont der Forscher. „Die optimale Lösung hängt von den örtlichen Bedingungen, der Bevölkerung und ihren Bedürfnissen ab. Auch müssen alte Wälder weiterhin dringend geschützt werden, da sie zum Beispiel den nachwachsenden Wald mit Samen versorgen und der Lebensraum vieler einzigartiger Pflanzen- und Tierarten sind.“ (Science 2021; doi: 10.1126/science.abh3629)
Quelle: Universität Innsbruck