Langanhaltende Kontamination: Auch 32 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl sind deren Auswirkungen in Deutschland noch messbar – unter anderem bei Pilzen. Messungen des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) zufolge sind einzelne Wildpilzarten in bestimmten Regionen Bayerns nach wie vor stark radioaktiv belastet. Bei landwirtschaftlichen Produkten insgesamt ist die Kontamination aber deutlich zurückgegangen und die aktuellen Messwerte sind gering, wie die Forscher berichten.
Am 26. April 1986 ereignete sich im Atomkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine der Super-GAU: Der komplette Reaktorblock explodierte und setzte einen radioaktiven Fallout frei, der über halb Europa niederging. Auch in Deutschland wurden Böden vor allem mit dem radioaktiven Cäsium-137 kontaminiert. Seither sind gut 30 Jahre vergangen und sogar in der Sperrzone von Tschernobyl leben wieder Vögel und Wildtiere.
Spätfolgen bis heute
Doch die Folgen des Reaktorunfalls sind noch nicht ausgestanden. Zum einen werden selbst heute noch immer wieder radioaktive Nuklide durch Waldbrände und Wind aus der Sperrzone ausgetragen und über Europa verteilt. Zum anderen ist die Kontamination aus der Zeit des Atomunfalls noch in vielen Böden präsent – auch in Deutschland. Mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren ist erst die Hälfte des damals eingetragenen Cäsium-137 zerfallen.
Deshalb analysiert das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in regelmäßigen Abständen Böden, landwirtschaftliche Produkte und Wildpilze auf ihre radioaktive Belastung hin – so auch in diesem Jahr. Zumindest für Fisch, Grundwasser sowie Milch und anderen landwirtschaftlichen Produkten gibt es Entwarnung: Die Cäsiumwerte liegen derzeit in Deutschland im Bereich von nur einigen Becquerel pro Kilogramm und darunter.
Bis zu tausend Becquerel pro Kilo Pilze
Anders ist dies bei Wildpilzen: In einigen Regionen Deutschlands werden für wildgesammelte Speisepilze noch immer deutlich erhöhte Werte des radioaktiven Cäsium-137 gemessen. „Bei einigen Wildpilzarten kann auch mehr als drei Jahrzehnte nach dem Tschernobyl-Unfall noch keine Entwarnung gegeben werden“, sagt BfS-Präsidentin Inge Paulini. „Unsere Messergebnisse zeigen, dass die radioaktive Belastung dieser Pilzarten im Gegensatz zu anderen Lebensmitteln nach wie vor sehr hoch ist.“
Beispielsweise können Braunscheibige und Orangefalbe Schnecklinge oder Rotbraune Semmelstoppelpilze bis zu einige 1.000 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm Frischmasse aufweisen. Dieser Wert liegt deutlich über dem zulässigen Grenzwert für Speisepilze im Handel, der bei 600 Becquerel pro Kilogramm liegt. Gesundheitliche Folgen seien bei üblichen Verzehrmengen der Wildpilze dennoch nicht zu befürchten, betonen die Experten.
Regional unterschiedlich
Die radioaktive Belastung ist dabei jedoch regional sehr unterschiedlich. Am stärksten belastet sind auch heute noch Pilze aus den Gebieten Deutschlands, die beim Reaktorunfall von Tschernobyl besonders viel Fallout abbekommen haben. Dazu gehören Areale im Bayerischen Wald, im Donaumoos südwestlich von Ingolstadt und in der Region Mittenwald. Sie waren im Jahr 1986 im Schnitt zehnmal höher radioaktiv belastet als beispielsweise der Norden Deutschlands.
Als Folge sind auch die Wildpilze aus diesen radioaktiven „Hotspots“ in Deutschland bis heute deutlich stärker kontaminiert. Ein Grund für die langanhaltende Belastung gerade von Pilzen ist die Beschaffenheit der Waldböden. In ihnen bleiben die Radionuklide länger erhalten als in stark landwirtschaftlich genutzten Böden, wie die Experten erklären.
(Bundesamt für Strahlenschutz, 18.10.2018 – NPO)