Paläontologie

Tyrannosaurus hatte ein sensibles Maul

Nervenbahnen im Kiefer des T. rex waren komplexer als bei den meisten anderen Dinosauriern

Tyrannosaurus
Der Tyrannosaurus hatte messerscharfe Zähne und eine enorme Bisskraft, dennoch war seine Schnauze hochsensibel. © releon8211/ Getty images

Überraschend feinfühlig: So riesig und furchteinflößend der Tyrannosaurus rex auch war – seine Schnauzenspitze war vermutlich außergewöhnlich feinfühlig. Darauf deuten die zahlreichen komplex vernetzten Nervenbahnen hin, deren Hohlräume in fossilen Kieferknochen erhalten geblieben sind. Der Raubdinosaurier hatte demnach ein deutlich besseres Gespür in seiner Schnauze als seine pflanzenfressenden Mitdinosaurier, wie Paläontologen berichten.

Der Tyrannosaurus rex war einer der größten Raubdinosaurier der Kreidezeit. Seine enorme Bisskraft und Wendigkeit erlaubten es ihm, selbst schnelle und große Beute zu jagen. Der Raubdinosaurier schreckte aber wahrscheinlich auch vor Kannibalismus nicht zurück. Fossilfunde legen zudem nahe, dass der T. rex dank einer raffinierten Arbeitsteilung zwischen Jungtieren und Erwachsenen gleich mehrere ökologische Nischen besetzte und Konkurrenten effektiv verdrängte.

T.rex
Rekonstruierter Verlauf der Nerven (orange) im Kiefer von Tyrannosaurus rex. © Kawabe, Hattori/ Historical Biology

Kieferknochen verrät Nervenverzweigung

Doch bei aller Kraft und Dominanz war der Tyrannosaurus offenbar durchaus feinfühlig – zumindest an seiner Schnauzenspitze. Indizien dafür haben Soichiro Kawabe und Soki Hattori von der Universität der japanischen Präfektur Fukui bei der Untersuchung von fossilen Oberkieferknochen des T. rex sowie des Triceratops, des Entenschnabel-Sauriers Edmonotosaurus und zum Vergleich auch des Kiefers eines rezenten Krokodils gefunden.

Weil die Nervenbahnen und Blutgefäße im Kiefer teilweise durch Knochenkanäle und -gruben verlaufen, lässt sich ihre Struktur mittels hochauflösender Computertomografie rekonstruieren. Die Paläontologen konnten so ermitteln, wie gut die Schnauzenspitzen der verschiedenen Dinosaurier mit Nerven versorgt waren. Das erlaubt Rückschlüsse darauf, wie feinfühlig ihr Maul war.

Komplexer und verästelter als bei jedem anderen Dino

Das überraschende Ergebnis: „Die Nerven im Kiefer des Tyrannosaurus sind komplexer verzweigt als bei jedem anderen bisher untersuchten Dinosaurier“, berichtet Kawabe. Während Triceratops, Edmontosaurus und andere nur wenige Nervenäste besaßen, die wie die Finger einer Hand in Richtung Zähne verzweigten, zeigen die Nerven von Tyrannosaurus mehrstufige Verästelungen, die in gut 90 Spitzen enden.

„Damit war das Verzeigungsmuster der neurovaskulären Kanäle im Kiefer von T. rex ähnlich komplex wie bei den heutigen Krokodilen oder Enten“, sagt Kawabe. Beide Tierarten verfügen über besonders gut ausgeprägte Tast- und Chemosensoren in ihrer Schnauze beziehungsweise in ihrem Schnabel, um ihre Nahrung im Wasser erspüren zu können. Auch der Tyrannosaurus rex könnte den neuen Daten zufolge eine ähnliche sensible Schnauze besessen haben.

Feinfühlig beim Fressen, aber auch bei Nestbau und Brutpflege

„Das verändert völlig unsere Vorstellung vom Tyrannosaurus als einem eher grobschlächtigen Räuber, der alles ungeachtet seiner Beschaffenheit in sich hineinschlang – egal ob Fleisch oder Knochen“, sagt Kawabe. Stattdessen war die Schnauzenspitze des T. rex wahrscheinlich relativ sensibel und konnte die Konsistenz der von ihm gepackten Beute und ihrer Gewebe gut erspüren. „Wahrscheinlich konnte er damit sogar die verschiedenen Teile seiner Beute unterscheiden und sie gezielt vertilgen“, erklärt der Paläontologe.

Die sensible Schnauze könnte dem Tyrannosaurus aber nicht nur beim Beutefang und Fressen nützlich gewesen sein. Sie könnte dem Raubsaurier auch in anderen Situationen als Tastsensor gedient haben. „Die feinfühligen Schnauzenspitzen der Tyrannosauriden waren auch für eine Reihe anderer Verhaltensweisen vorteilhaft, darunter den Bau von Nestern, die Brutpflege und die innerartliche Kommunikation“, erklärt Hattori.

Frühere Untersuchungen von Schädel und Unterkiefer zweier mit T. rex verwandter Raubsaurier, des Daspletosaurus und des Neovenator, deuten zudem darauf hin, dass möglicherweise die gesamte Gesichtspartie der Tyrannosauriden relativ stark von Nerven durchzogen und sensibel war. (Historical Biology, 2021; doi: 10.1080/08912963.2021.1965137)

Quelle: Taylor & Francis Group

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