Die Redensart „man isst mit den Augen“ ist zumindest für übergewichtige Menschen auf problematische Weise wahr: Eine Präsentation von Bildern mit kulinarischen Köstlichkeiten löst bei ihnen Gehirnaktivitäten aus, die bei den Normalgewichtigen nicht „anspringen“. So werden beispielsweise das Geschmackszentrum als auch Regionen, die für das körpereigene „Belohnungssystem“ verantwortlich sind angesprochen. Dies haben jetzt Wissenschaftler der Berliner Charité in einer Studie herausgefunden.
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Was kann die Radiologie zur Behandlung von Fettsucht – Adipositas – beitragen? Eine ganze Menge, wie jetzt auf dem Europäischen Radiologenkongress (ECR 2007) im Austria Center Vienna klar wurde. Während die strukturelle Magnetresonanztomographie (sMRI) „nur“ Form und Volumen bestimmter Gehirnregionen darstellt, erlaubt es die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI), dem Gehirn gewissermaßen bei der Arbeit zuzusehen und dabei Geheimnisse zu lüften, die den Weg zu neuen Therapieformen erleichtern könnten.
Kaloriengehalt entscheidend
Die Wissenschaftler an der Abteilung für Radiologie der Berliner Charité untersuchten in ihrer Studie die Gehirnfunktionen von 13 schwer übergewichtigen und 13 normalgewichtigen Frauen mithilfe der fMRI, während sie ihnen Fotos von Speisen mit unterschiedlichem Kaloriengehalt zeigten.
Während die Normalgewichtigen dabei keine Gehirnaktivitäten aufwiesen, die Übergewichtige nicht auch zeigten, stimulierte die optische Konfrontation mit kulinarischen Köstlichkeiten bei den Adipositas-Patientinnen etliche Gehirnregionen, die bei den Normalgewichtigen nicht aktiv sind – und zwar umso mehr, je kalorienhaltiger die abgebildeten Speisen waren.
Zusätzlich angesprochen wurde bei den „Schwergewichten“ sowohl das primäre Geschmackszentrum als auch Regionen, die dem körpereigenen so genannte „Belohnungssystem“ zugeordnet sind. Bestimmte Schaltungen im Gehirn Übergewichtiger sorgen also dafür, dass der bloße Gedanke an Essen zur Ausschüttung der Glückshormone Dopamin und Serotonin führt – ein teuflischer Kreislauf, denn ohne Essen keine derartige Belohnung, und folglich Unlustgefühle.
fMRI als Diagnose- und Kontrollinstrument für Suchttherapien – neue Behandlungsstrategien
„Ganz ähnliche Mechanismen wurden auch in der Gehirnfunktion Glücksspielsüchtiger gefunden“, bestätigt Professor Dr. Stefan Sunaert von der Abteilung für Radiologie an der Katholischen Universität Leuven (Belgien). „Das bedeutet, dass wir fMRI jetzt als Diagnose- und auch Kontrollinstrument für Suchttherapien verwenden können. Ein Vorher/Nachher-Vergleich der Scans müsste uns zeigen, ob eine psychologische Behandlung, die auf die Entkoppelung emotionaler Befriedigung vom Essen abzielt, wirklich gegriffen hat.“
Denkbar, so Sunaert, ist nun aber auch die fMRI-gestützte Entwicklung neuer Behandlungsstrategien: „Medikamentöse Therapien mit Serotonin-Inhibitoren sind ebenso denkbar wie Substanzen, die unmittelbar auf den Hypothalamus wirken und damit das Hungergefühl ausschalten. Möglich ist aber auch die direkte Stimulation des Gehirns über Elektroden, vor allem der capsula anterior und des nucleus accumbens, des sog. ‚Glücks-Nukleus‘. Versuche mit Menschen mit Zwangsverhalten (Obsessive Compulsive Disorder, OCD) haben gezeigt, dass die Lust auf das Zwangsverhalten aufhört, wenn der ‚Glücks-Nukleus‘ auf andere Weise aktiviert wird. All dies können wir nun viel rascher evaluieren, weil wir jetzt sehen können, ob sich die Gehirnaktivität daraufhin normalisiert.“
(B&K Kommunikation/ECR 2007, 13.03.2007 – DLO)