Sie sind die Dunkle Materie der Biologie: Mikroorganismen stellen 70 Prozent der Biomasse auf unserem Planeten – doch erforscht und bekannt ist erst ein Bruchteil von ihnen. Ein internationales Forscherteam hat nun in extremen Lebensräumen nach unbekannten Mikroben gesucht – und ist dank einer neuen Methode der DNA-Analyse und massiver Rechenpower fündig geworden. Immerhin 201 neue Lebensformen entdeckten sie, darunter einige sehr überraschende Exemplare, wie sie im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Mikroben sind überall: in der Luft, im Wasser, selbst der Mensch besteht nur zu einem Zehntel aus menschlichen Zellen – der Rest sind unterschiedlichste mikrobiologische Mitbewohner. Obwohl die Winzlinge 70 Prozent aller auf Erden vorhandenen Lebewesen stellen, sind sie – wie die geheimnisvolle dunkle Materie im Kosmos – kaum erforscht. Das liegt daran, dass sich die meisten Mikroben unter Laborbedingungen nicht „wohlfühlen“ und absterben, statt sich zu vermehren. Das macht es schwer, die einzelnen Arten zu identifizieren.
Einzell-Sequenzierung verrät Identität
Christian Rinke vom Joint Genome Institute (JGI) im kalifornischen Walnut Creek und seine Kollegen ist es nun dennoch gelungen, das Wissen um unsere mikrobiellen Mitbewohner ein Stück zu erweitern. Für ihre Studie setzten sie direkt am Erbgut der Mikroben an. Zunächst nahmen sie dafür Proben aus neun besonders lebensfeindlichen Habitaten – von einem besonders sauerstoffarmen See in Griechenland über einen mexikanischen Klärschlammreaktor bis zur fast kochendheißen Quelle in der Wüste von Nevada. Ziel dieser eklektischen Auswahl war es, möglichst viele noch unbekannte Mikroben einzufangen.

Aus den Proben isolierten die Forscher rund 3.300 Einzelzellen, aus denen sie das Erbmaterial DNA entnahmen. Mit Hilfe einer neuen Technologie, der Einzelzell-Genomik, vervielfältigten sie anschließend die DNA, um sie dann zu sequenzieren. „Vor 15 Jahren wäre es undenkbar gewesen, die Genome einzelner mikrobieller Zellen zu entziffern“, sagt Studienleiterin Tanja Woyke vom JGI. „Es war damals notwendig, die Zellen im Labor zu züchten, um ausreichend Zellmasse für die Genomentschlüsselung zu erhalten. Doch mit modernen Einzelzell-Techniken benötigen wir nur ein einziges DNA-Molekül.“