Biologie

Überraschung: Riesen-Seeanemone ist gar keine

Tiefsee-Kreatur ist eine ganz neue Ordnung der Tierwelt - eine echte Rarität

Relicanthus daphneae - sieht aus wie eine Seeanemone, ist aber keine. © AMNH/ NERC CHESSO project

Eine Tiefseekreatur verblüfft die Forscher. Denn bisher hielt man sie einfach für eine der größten Seeanemonen des Ozeans. Jetzt aber entpuppt sie sich als die erste bekannte Vertreterin einer völlig neuen Ordnung von Meerestieren. Mit ihrer leuchtenden Farbe und ihren bis zu zwei Meter langen Tentakeln ähnelt sie nur äußerlich den Anemonen, hat sich aber völlig anders entwickelt, berichten die Forscher im Fachmagazin „PlOS ONE“.

Sie ist farbig und ziemlich groß: Von einem rosafarbenen Körper geht ein ganzes Büschel bis zu zwei Meter langer, dünner Tentakel aus. Entdeckt wurde diese exotische Schönheit erst 2006 an hydrothermalen Schloten in der Tiefsee des Ostpazifik. Weil sie in allen ihren äußeren Merkmalen den Seeanemonen gleicht, schien damals klar: Es muss sich um eine der größten Seeanemonen der Ozeane handeln. Diese mit Quallen und Korallen verwandten Nesseltiere sitzen einzeln auf dem Meeresboden und ernähren sich von Kleintieren, die sie mit den Tentakeln fangen oder sie mit den giftigen Nesselzellen in ihren Tentakeln betäuben.

DNA enthüllt wahre Natur

„Anemonen sind sehr einfache Tiere, ihre Gemeinsamkeit ist vor allem das, was sie nicht besitzen – kein Skelett, keine Koloniebildung wie bei Korallen“, erklärt Estefanía Rodríguez vom American Museum of Natural History. Sie und ihre Kollegen haben nun diese Meereskreatur genauer unter die Lupe genommen. Sie analysierten ihre DNA und verglichen sie mit der von 122 weiteren Anemonenarten.

Das Ergebnis war erstaunlich: Bei dem Fund aus dem Ostpazifik handelt es sich trotz seiner äußerlichen Ähnlichkeit nicht um eine Seeanemone, wie die Forscher berichten. Stattdessen hat sich dieser Typ von Nesseltieren unabhängig von diesen entwickelt. Weil aber beide Tiergruppen eine ähnliche Lebensweise haben, bildeten sie auch gleiche Merkmale aus – Biologen nennen dies konvergente Evolution. Andere Beispiele dafür sind Wolf und Beutelwolf oder Blindschleichen und Schlangen.

Rarität in der Biologie

Wie die Forscher berichten unterscheidet sich die Pseudo-Anemone sogar so stark von den echten, dass sie eine neue, eigene Ordnung für sie schufen. „Beiden Tiergruppen fehlen die gleichen Merkmale, aber während die Seeanemonen diese im Laufe von Millionen Jahren allmählich verloren haben, hat Relicanthus daphneae sie niemals besessen“, erklärt Rodríguez. „Beide in die gleiche Ordnung zu setzen wäre ähnlich absurd, wie Würmer und Schlangen zusammen einzuordnen nur weil beide keine Beine besitzen.“

Während neue Arten sehr häufig gefunden werden, ist die Identifizierung einer ganz neuen Ordnung eine echte Rarität. „Die Entdeckung dieser neuen Ordnung der Nesseltiere ist vergleichbar mit dem Fund eines ersten Vertreters einer Tiergruppe wie die Primaten oder der Nagetiere“, erklärt Rodríguez. Bisher ist Relicanthus daphneae die einzige Vertreterin der neuen Ordnung, aber die Forscher wollen nun gezielt nach weiteren Angehörigen dieser Tiergruppe suchen. „Dieser erstaunliche Fund sagt uns, dass es im Ozean noch sehr viel mehr zu entdecken gibt“, so Rodríguez. (PLSO ONE, 2014; doi: 10.1371/journal.pone.0096998)

(American Museum of Natural History, 09.05.2014 – NPO)

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