Viele Vögel sind nicht das, was sie zu sein scheinen. So ist der Falke kein Greifvogel, sondern ein Papagei und der Flamingo gehört zu den Tauben. Das enthüllen die Ergebnisse eines internationalen Großprojekts, in dem Forscher mit Hilfe von 48 Vogelgenomen erstmals den kompletten Stammbaum der Vögel rekonstruiert haben. Ihre unter anderem in „Science“ veröffentlichten Ergebnisse zeigen auch, wann die Vogel-Vorfahren ihre Zähne verloren und dass das Aussterben der Dinosaurier zur einer Explosion der Vogelevolution führte.
Milliarden Vögel bevölkern die Erde: Tausende von Arten haben sich die unterschiedlichsten Lebensräume unseres Planeten erobert. Doch wie ist diese Vielfalt entstanden? Um die Antworten zu finden, sequenzierten und analysierten rund 100 Forscher aus 20 Ländern das Erbgut von 45 verschiedenen Vogelarten in einem internationalen Großprojekt. Neun Supercomputer waren für den immensen Rechenaufwand vier Jahre lang im Einsatz. Die Forschergruppen haben nun ihre Ergebnisse in gleich mehreren Veröffentlichungen veröffentlicht – allein acht davon im Fachmagazin „Science“.
Sie fanden unter anderem heraus, wie und wann die wichtigsten Entwicklungslinien der Vögel entstanden und beleuchten den Ursprung wichtiger Vogel-Merkmale. „In der Vergangenheit wurden meist nur eine Handvoll Gene genutzt, um die Verwandtschaftsverhältnisse der Vogelarten in den letzten 100 Millionen Jahren zu rekonstruieren“, erklärt Erich Jarvis vom Howard Hughes Medical Institute in Chevy Chase. „Wenn man aber das gesamte Genom nimmt, dann bekommt man einen sehr viel genaueren Stammbaum.“ Vor allem die nicht-proteinkodierenden Gene seien dafür wichtig.

Flamingos sind Tauben, Falken dagegen Papageien
Die neuen Erkenntnisse würfen den Vogel-Stammbaum gehörig durcheinander. Denn viele sich ähnlich sehende Vogelarten entpuppen sich nun als nur sehr weitläufig verwandt. So sind die Falken, bisher als typische Greifvögel angesehen, in Wirklichkeit Papageienvögel. Mit Geiern und Adlern sind sie dagegen nicht verwandt – trotz ihrer großen Ähnlichkeiten. In der Evolution der Vögel entwickelten sich demnach weitaus mehr Merkmale mehrfach unabhängig voneinander als bisher angenommen.