Dass unsere Werte Einfluss auf unser Verhalten haben, ist eine Binsenweisheit. Doch die Verbindung ist weniger eindeutig, als sie auf den ersten Blick scheint. Denn in der Regel sind es mehrere Werte, die unser Handeln bestimmen und diese können auch in Konkurrenz zueinander treten. Welcher Wert dann den stärksten Einfluss entfaltet, ermittelten Forscher in einem Experiment. Ihre Ergebnisse sind nun im British Journal of Social Psychology erschienen.
Ökonomen und Psychologen der Universitäten Bonn und Helsinki wollten testen, wie und ob Menschen ihren persönliche Werten folgen. Dafür rekrutierten sie Studenten der Universität Helsinki als Versuchspersonen. Zum Zeitpunkt der Studie wurde in Finnland gerade diskutiert, ob lesbische Frauen einen rechtlichen Anspruch auf künstliche Befruchtung erhalten sollten. Die Probanden sollten angeben, ob sie für oder gegen eine entsprechende Gesetzesänderung seien.
Öffentliche Meinung oder persönliche Werte – was ist stärker?
An dem eigentlichen Experiment nahmen nur die Befürworter einer solchen Regelung teil – insgesamt 50 Studierende. Sie alle wurden mit den Daten einer angeblichen uni-weiten Umfrage zum fraglichen Gesetz konfrontiert. Einige Probanden erhielten durch entsprechend gewählte Umfragewerte den Eindruck, sie stünden mit ihrer pro-homosexuellen Haltung relativ allein da. Die anderen Teilnehmer durften sich dagegen als Angehörige einer deutlichen Mehrheit fühlen.
Im Anschluss daran wurden die Teilnehmer befragt, ob sie bereit wären, sich für die Gesetzesänderung einzusetzen: etwa durch die Wahl einer entsprechenden Partei, die Unterzeichnung einer Petition oder auch die Teilnahme an einer Demonstration. „Während niemand sieht, wo ich an der Wahlurne mein Kreuzchen mache, muss ich mich bei einer Demo öffentlich exponieren“, erklärt Philipp Wichardt von der Universität Bonn. „Wir haben untersucht, inwieweit die öffentliche Meinung einen Einfluss auf die politische Aktivität hat und ob dabei auch persönliche Werte eine Rolle spielen.“
Universalismus versus Konformismus
Dazu hatten die Forscher ihren Probanden im Vorfeld einen Fragenkatalog vorgelegt. „Aus den Antworten lässt sich die Gewichtung von zehn grundlegenden Werten ablesen“, erläutert der Bonner Ökonom Gari Walkowitz. „Dazu zählt beispielsweise der Universalismus – für Universalisten steht gewissermaßen das Interesse aller Teilnehmer einer Gesellschaft im Vordergrund. Ein anderer Wert
ist der Konformismus: Konformisten halten es für wichtig, sich an gesellschaftliche Regeln zu halten.“
Das Ergebnis des Fragebogens war eine Art individuelles Werteprofil jedes Teilnehmers. Die Forscher konzentrierten sich nun zunächst auf einen Wert, den Konformismus. Sie untersuchten, inwieweit dieser Wert die Bereitschaft der Teilnehmer bestimmt, politisch aktiv zu werden. Ergebnis: Das hängt davon ab.
„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“
Nicht ganz unerwartet beeinflusste die Grundeinstellung der Probanden auch ihr Verhalten uin unterschieldichen Situationen. „Wenn sich Konformisten als Teil einer Mehrheit empfinden, engagieren sie sich gerne auch öffentlich für ihre Meinung – also durch Teilnahme an einer Demo oder durch die Sammlung von Unterschriften“, sagt der finnische Psychologe Jan-Erik Lönnqvist. „Bei öffentlichem Gegenwind handeln sie dagegen eher dort, wo es nicht sichtbar wird – also etwa an der Wahlurne.“ Teilnehmer mit niedrigen Konformismus-Werten zeigten sich dagegen von der öffentlichen Meinung unbeeindruckt.
Allerdings müssen dass hohe Konformismus-Werte nicht unbedingt bedeuten, dass sich die entsprechende Person dem gesellschaftlichen Druck beugt. So kann ein Konformist durchaus auch Universalist sein. Jedoch geraten diese beiden Werte in manchen Situationen in einen Konflikt: Der Universalist möchte sich engagieren, der Konformist der Gruppennorm anpassen. Philipp Wichardt: „Die Antwort auf die Frage, welcher Wert dann den stärksten Einfluss entfaltet, ist eine typische Ökonomenantwort: Es hängt davon ab – in diesem Fall von der Bezugssituation.“
(Universität Bonn, 05.08.2009 – NPO)