Ein Dritter im Bunde: Unsere Vorfahren kreuzten sich nicht nur mit Neandertalern und Denisova-Menschen – offenbar kam es zu Liaisons mit einem weiteren Unbekannten. Spuren dieses Hominiden haben Forscher nun im Genom von Menschen aus Asien und Ozeanien entdeckt. Ihren Analysen zufolge könnte es sich bei ihm um einen Hybriden aus Neandertaler- und Denisova-Menschen handeln.
Als unsere Vorfahren Afrika verließen, begann eine Geschichte der Seitensprünge: „Wir wissen, dass sich moderne Menschen mehrfach mit Neandertalern und auch mit den Denisova-Menschen kreuzten“, sagt Jaume Bertranpetit von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona. Aus diesem Grund tragen Europäer noch heute rund zwei Prozent Neandertaler-Erbgut in sich. Die Tibeter wiederum verdanken ihre Höhenanpassung einem Gen, das wahrscheinlich von den Denisova stammt.
Ein dritter Unbekannter
Doch das ist noch nicht alles: Genetische Analysen deuten darauf hin, dass es darüber hinaus ein weiteres Techtelmechtel mit einer bisher unbekannten Menschenart gegeben haben könnte. Doch stimmt das – und wenn ja, wer war diese dritte Spezies? Um das herauszufinden, haben Bertranpetit und seine Kollegen nun gezielt nach Spuren dieses Unbekannten im Erbgut heute lebender Menschen gesucht.
Dazu nutzten sie öffentlich verfügbare Daten aus dem internationalen 1.000-Genom-Projekt und ließen diese von einer künstlichen Intelligenz analysieren. „Dieser Algorithmus hatte durch tausende Simulationen gelernt, anhand der Gensequenzen auf die demographische Geschichte zu schließen“, erklärt Mitautor Oscar Lao. Welche Kreuzungsereignisse aus der Vergangenheit können die heutige Zusammensetzung des Erbguts unterschiedlicher Populationen am besten erklären?
Erbe eines Hybriden?
Tatsächlich stellte sich heraus: Alle asiatischen und ozeanischen Populationen tragen Gene einer unbekannten Menschenpopulation in sich, die vor zehntausenden von Jahren in engen Kontakt mit unseren Vorfahren gekommen sein muss. Bei diesen Menschen könnte es sich den Analysen zufolge um Hybriden aus Neandertaler- und Denisova-Menschen gehandelt haben.
Interessanterweise passt dieses Ergebnis sehr gut zu einem Fund aus dem vergangenen Sommer: In der Denisova-Höhle in Sibirien stießen Forscher auf die Knochen eines Mädchens, das die Tochter einer Neandertalerin und eines Denisova-Mannes war. Dies lege nun nahe, dass diese Liaison kein Einzelfall war, schreibt Bertranpetits Team. Stattdessen scheint aus Kreuzungen zwischen den beiden Menschenformen eine neue Population hervorgegangen zu sein, die sich dann mit dem Homo sapiens paarte.
Unklare Verwandtschaft
„Unsere Theorie stimmt mit dem jüngst gefundenen Hybriden überein. Trotzdem können wir auch andere Möglichkeiten nicht ganz ausschließen“, betont Mayukh Mondal von der Universität Tartu in Estland. So wäre ein weiteres, laut den Analysen denkbares Szenario, dass es sich bei dem Unbekannten um eine Art handelt, die sich früh von der Denisova-Linie abspaltete – und zwar ungefähr dann, als sich auch die Abstammungslinien der Neandertaler- und Denisova-Populationen voneinander trennten.
„Die genaue Beziehung der neuen Menschenpopulation zu den anderen bekannten archaischen Populationen ist noch nicht vollständig entschlüsselt“, schließen die Wissenschaftler. Weitere Analysen sollen dieses Geheimnis jedoch bald lüften. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-018-08089-7)
Quelle: Center for Genomic Regulation