Seltener Fund: Ein 30 Millionen Jahre alter Bernstein hat ein völlig unbekanntes Wesen konserviert. Denn das nur rund 100 Mikrometer kleine Tier ähnelt zwar auf den ersten Blick einem Bärtierchen oder einer Milbe, gehört aber zu keinem der bekannten Stämme des Tierreichs. Wann diese einzigartigen Wirbellosen entstanden, wie lange sie existierten und wo sie im Stammbaum des Lebens stehen, ist bislang rätselhaft, wie die Forscher berichten.
Es kommt häufiger vor, dass Wissenschaftler eine unbekannte Art entdecken – sei es in der heutigen Lebenswelt oder unter den fossilen Organismen. Deutlich seltener ist allerdings die Neuentdeckung einer neuen Gattung, Familie oder Ordnung, wie beispielsweise der ausgestorbenen Insektenordnungen der „Alienoptera“ oder der „Chimärenflügler„. Meist lassen sich selbst unbekannte Spezies einer der schon existierenden Gruppen im Stammbaum des Lebens zuordnen.
Mini-Vierfüßer im Bernstein
Doch nun haben Forscher ein Tier entdeckt, das sogar einem zuvor unbekannten Stamm des Tierreiches anzugehören scheint – eine echte Rarität. George Poinar Jr. von der Oregon State University udn sein Team waren auf das rätselhafte Fossil gestoßen, als sie Klumpen von 30 Millionen Jahre altem Bernstein untersuchten. In diesem fanden sie neben vielen Pilzsporen, Fadenwürmern und Einzellern auch winzige, nur 100 Mikrometer kleine Tierchen.
Diese Wesen ähneln auf den ersten Blick einer Milbe oder einem Bärtierchen: Sie sind rundlich, gepanzert und besitzen einen eher kleinen, beweglichen Kopf. Im Gegensatz zu Milben und Bärtierchen haben die Sialomorpha dominicana getauften Tiere aber nur vier stämmige Beinchen. Ein weiterer Unterschied: „Am Ende ihrer Beine tragen sie keine Klauen, wie bei Milben und Tardigraden der Fall“, berichtet Poinar.
Ein neuer Stamm des Tierreichs?
Damit ist klar: Diese von den Forschern auch „Schimmelschweinchen“ genannten Wesen passen in keine bisher bekannte Tiergruppe. „Es gibt keine Tiergruppe, der sich diese Fossilien zuordnen lassen und wir kennen auch keine heutigen Nachfolger dieser Wesen“, sagt Poinar. Damit könnten diese urzeitlichen Wirbellosen nicht nur eine eigene Familie oder Ordnung bilden, sondern sogar einen ganz neuen Tierstamm – dies entspricht der Ebene der Arthropoden und ist sogar eine Stammbaumstufe höher als die Wirbeltiere.
„Diese Entdeckung zeigt, dass es noch bis zur Mitte des Tertiärs einzigartige, heute unbekannte Tierlinien gab“, sagt Poinar. Doch wo im Stammbaum die merkwürdigen „Schimmelschweinchen“ einzuordnen sind, wie lange sie existierten oder ob es vielleicht doch noch Nachfahren dieses exotischen Tierstamms gibt, ist bisher rätselhaft.
Immerhin legen die gemeinsam mit Sialomorpha dominicana im Bernstein eingeschlossenen Fossilien nahe, dass sich diese Tierchen von Pilzen ernährten und offenbar in einem warmen, feuchten Habitat lebten. Viel mehr wissen die Paläontologen aber noch nicht über diese Wesen. (Invertebrate Biology, 2019; doi: 10.1111/ivb.12265)
Quelle: Oregon State University