Forscher schlagen Alarm: Drei der wichtigsten UNESCO Weltnaturerbe-Stätten stehen kurz vor dem Kollaps. Ohne verstärkte Maßnahmen drohen dem Grat Barrier Reef, dem Amazonaswald und den Doñana-Feuchtgebieten in Südspanien das Ende. Das aber hätte Folgen für die gesamte Menschheit, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science“ betonen. Denn diese Ökosysteme haben globale Bedeutung – und müssen daher unbedingt erhalten werden.
Dass die UNESCO neben dem Weltkulturerbe auch ein Naturerbe benennt, hat seinen Grund. Denn es gibt Ökosysteme, die weltweit einzigartig und für die gesamt Welt unersetzlich sind. In besonderem Maße gilt dies für Lebensräume, die weit über die Region hinaus wichtige Funktionen erfüllen. Zu diesen gehören unter anderem der Amazonas-Regenwald – die grüne Lunge des Planeten – und das größte Korallenriff der Erde, das Great Barrier Reef vor Australien. Auch die weniger bekannten Doñana-Feuchtgebiete in Andalusien sind eines dieser überregional bedeutenden Systeme, denn hier überwintern alljährlich eine halbe Million europäischer Vögel.
Es ist fünf vor zwölf
Doch dieses Welterbe ist in akuter Gefahr, wie Marten Scheffer von der Universität Wageningen und seine Kollegen betonen. Denn neben globalen Problemen wie dem Klimawandel und der damit zusammenhängenden Meeresversauerung hapert es bei diesen Welterbestätten auch an lokalen Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen. „Schlechtes lokales Management aber macht ein Ökosystem weniger tolerant gegenüber dem Klimawandel und verringert seine Kapazität, effektiv zu funktionieren“, warnt Scheffer.
Wie die Forscher in ihrer Studie aufzeigen, gibt es einen breiten Bereich, in dem ein Ökosystem Bedrohungen und Stress ohne größere Folgen abzupuffern scheint. Doch ist dieser Puffer einmal erschöpft – beispielsweise weil mehrere Stressfaktoren zusammenkommen, dann kann das gesamte System sehr schnell kollabieren. Und zumindest für die drei untersuchten Weltnaturerbe-Stätten sei es sprichwörtlich fünf vor zwölf, warnen die Wissenschaftler. Werden hier nicht zumindest die lokalen Stressfaktoren verringert, dann droht ihnen der Kollaps.
Keine Frage des Geldes
Und das ist längst nicht immer eine Frage mangelnden Geldes, wie das Beispiel des Great Barrier Reefs zeigt – im Gegenteil. „Als reiches Land hat Australien die Fähigkeit und die Verantwortung, das Riff besser zu schützen“, so Scheffer. Stattdessen nimmt die Wasserverschmutzung durch küstennahe Landwirtschaft und das Ausbaggern von Häfen zu, auch die Überfischung bedroht die reiche Artenvielfalt des Riffs.
Und als wenn das nicht genug wäre, plant Australien noch immer, neue Kohlenminen auszubeuten und Kohlenhäfen auszubauen. „In den letzten Jahrzehnten ist bereits die Hälfte der Korallenbedeckung verschwunden“, so Scheffer und seine Kollegen. „Und die Aussichten sind düster und sich immer weiter verschlechternd.“ Die UNESCO hat bereits angekündigt, dieses Welterbe offiziell als gefährdet einzustufen, wenn hier nichts getan wird.
Irreversibler Verlust
Die Doñana-Feuchtgebiete in Südspanien wurden von der UNESCO bereits als sehr gefährdet eingestuft. Denn die Überdüngung durch die umliegende Landwirtschaft und städtische Abwässer führt inzwischen immer wieder zu giftigen Algenblüten in die unzähligen Tümpeln und Flüssen des Gebiets. An anderen Stellen wird wertvolles Wasser abgepumpt, um damit Erdbeerfelder und die Touristenorte am Meer zu versorgen. „Es wurde wenig getan, um diese lokalen Stressfaktoren zu kontrollieren und das macht Doñana unnötig anfällig gegenüber dem Klimawandel“, kritisieren die Forscher.
„Alle drei Beispiele spielen eine kritische Rolle für die globale Artenvielfalt“, warnen die Wissenschaftler. “ Wenn diese Systeme kollabieren, dann bedeutet dies die irreversible Auslöschung von Arten.“ Diese Ökosysteme seien wertvoll für die gesamte Welt, nicht nur für die Länder, in deren Rechtbereich sie liegen. In besonderem Maße gilt dies sicher für die „grüne Lunge“ des Planeten, den Amazonas-Regenwald. Bei ihm macht sich der Klimawandel bereits klar bemerkbar.
„Es gibt keine Ausrede“
Handlungsbedarf und Handlungschancen sehen die Forscher vor allem im lokalen Bereich: „Die lokal nötigen Maßnahmen sind bekannt und nicht einmal besonders teuer“, so Scheffer. Das Problem ist jedoch, dass diese Ökosysteme zwar von globaler Bedeutung sind, sie aber meist in einem oder wenigen Ländern liegen. Und wenn diese sich weigern, etwas zu unternehmen, passiert eben nicht viel.
Um einen besseren Schutz durchzusetzen, ist es nach Ansicht der Forscher daher nötig, dass andere Länder mehr Druck auf die „Gastgeberländer“ ausüben oder ihnen Hilfe anbieten, damit sichergestellt wird, dass diese ikonischen Ökosystem zum Wohl der gesamten Menschheit geschützt werden. „Es gibt eigentlich keine Ausrede für diese Länder, den Schutz dieser Gebiet schleifen zu lassen“, konstatiert Scheffer. (Science, 2015; doi: 10.1126/science.aaa3769)
(University of Wisconsin-Madison / Science, 20.03.2015 – NPO)