Neurobiologie

Unsere Ohren können unsere Augenbewegungen hören

Ungewöhnliches Teamwork der Sinne aufgedeckt

Auge und Ohr
Charakteristische Geräusche verraten unseren Ohren wahrscheinlich, wohin sich unsere Augen gerade bewegen. © Pixsooz/ Getty Images

Geheime Signale: Wenn wir unsere Augen bewegen, dann erzeugt das für unsere Ohren hörbare Geräusche, wie ein Experiment enthüllt. Zwar nehmen wir diese Töne nicht bewusst wahr, doch unseren Ohren könnten sie sogar unsere genaue Blickrichtung verraten. Aber warum? Die Forschenden nehmen an, dass dieses Teamwork der Sinne dazu dient, Objekte und Geräusche besser zu lokalisieren, und somit unsere Wahrnehmung schärft. Möglicherweise lassen sich mithilfe dieses Phänomens in Zukunft auch feinere klinische Hörtests entwickeln.

Unsere fünf Sinne – Riechen, Schmecken, Sehen, Fühlen, Hören – haben zwar jeweils eigene Aufgabenbereiche, arbeiten aber trotzdem eng zusammen. So hilft etwa unser Geruchssinn dabei, verschiedene Geschmäcker wahrzunehmen. Deshalb schmeckt auch alles ein wenig fad, wenn unsere Nase während einer Erkältung verstopft ist. Auch Ohren und Augen arbeiten zusammen. Wenn wir etwa Musik hören, die uns besonders gut gefällt, weiten sich unsere Pupillen.

Versuchsaufbau
Die verkabelten Probanden sollten mit den Augen einem grünen Punkt folgen. © Meredith Schmehl/ Duke University

Auge und Ohr auf der Spur

Im Jahr 2018 haben Forschende außerdem herausgefunden, dass in unseren Ohren spezielle schallregulierende Mechanismen aktiv werden, sobald wir unsere Augen bewegen. Aber warum? Bedeutet dies, dass unsere Augenbewegung und die damit verknüpfte Muskeltätigkeit akustisch hörbare Geräusche verursacht? Und können unsere Ohren dadurch wahrnehmen, wohin unsere Augen gerade schauen? Um das zu überprüfen, haben Stephanie Lovich von der Duke University und ihre Kollegen die ungewöhnliche Sinneskooperation nun erstmals genauer unter die Lupe genommen.

Dafür verkabelten die Forschenden 16 Versuchsteilnehmer jeweils mit einem Eye-Tracker, der ihre Pupillenbewegungen überwachte, und mit einem kleinen Mikrofon im Gehörgang, das die möglicherweise dort ankommenden Augengeräusche aufzeichnete. Daraufhin sollten die Probanden mit ihren Augen einen grünen Punkt auf einem Computerbildschirm verfolgen, der ständig die Position wechselte. Auf diese Weise konnten Lovich und ihr Team feststellen, ob verschiedene Augenbewegungen auch zu verschiedenen charakteristischen Geräuschen im Ohr führen und dem Ohr somit mehr über die Blickrichtung verraten.

Ohren hören Augen

Und tatsächlich: Jede Art von Augenbewegung erzeugte jeweils eigene einzigartige Geräusche, die bis ins Ohr vordrangen, wie die Forschenden herausfanden. So verrät beispielsweise die Stärke der Trommelfellvibration, ob sich die Augen in horizontaler oder vertikaler Richtung bewegen. Die Phase dieser akustischen Schwingungen ist wiederum davon abhängig, wie weit sich die Augen in eine bestimmte Richtung bewegen.

So hört es sich für unser Ohr an, wenn wir die Augen bewegen. © Duke University

„Man kann die Bewegung der Augen und die Position des Ziels, auf das die Augen blicken, allein anhand von Aufnahmen mit einem Mikrofon im Gehörgang abschätzen“, so Seniorautorin Jennifer Groh, ebenfalls von der Duke University. Mit dem Wissen über diese Zusammenhänge konnten die Forschenden allein anhand der Schallwellen aus dem Ohrmikrofon ermitteln, wohin ihre Probanden jeweils geschaut hatten. Es wäre also gut möglich, dass auch unsere Ohren die aktuelle Blickrichtung allein aus unseren Augengeräuschen ableiten können, mutmaßen Lovich und ihre Kollegen.

Sinnes-Teamwork könnte die Wahrnehmung schärfen

Aber was bringt es unseren Ohren , die Blickrichtung der Augen zu kennen? Das Team vermutet, dass die Augengeräusche unsere Wahrnehmung schärfen könnten. „Wir denken, dass dies Teil eines Systems ist, das es dem Gehirn ermöglicht, zuzuordnen, wo sich Objekte und Geräusche befinden“, erklärt Groh. Die Verknüpfung zwischen Auge und Ohr hilft demnach dabei, die visuellen und akustischen Informationen abzugleichen. Das verrät dann beispielsweise, ob Gesehenes und Gehörtes aus derselben Richtung und Quelle stammen.

„Dies könnte es unserem Gehirn erleichtern, die eintreffenden akustischen Signale in einen visuellen, aus der Augenbewegung abgeleiteten Referenzrahmen einzufügen“, mutmaßt das Team. Dies sei auch dann hilfreich, wenn sich gerade nur unsere Augen, nicht aber unser Kopf und unsere Ohren bewegen können. Sitzen wir also auf der Couch und nehmen auf einmal ein seltsames Klackern wahr, könnten wir den Ursprung des Geräuschs womöglich auch dann orten, wenn wir den Raum lediglich mit unseren Augen absuchen.

Neuartige Hörtests möglich

Wie genau die Augengeräusche entstehen, ist allerdings noch unklar, wie das Team erklärt. Sie könnten durch die Nervenaktivität im Augenumfeld hervorgerufen werden, aber auch durch Signale aus den Augenmuskeln. Lovich und ihr Team planen zurzeit eine Reihe weiterer Experimente, mit denen sie der genauen Quelle und Funktion der Augengeräusche auf die Schliche kommen wollen. Zudem wollen sie testen, wie bei Menschen mit Seh- oder Hörschwäche Auge und Ohr zusammenarbeiten und ob Personen mit ausgeprägter Auge-Ohr-Kooperation auch eine schärfere Wahrnehmung besitzen.

Gleichzeitig könnte das ungewöhnliche Teamwork zwischen Auge und Ohr aber auch zur Entwicklung neuer klinischer Hörtests beitragen. „Wenn jeder Teil des Ohrs individuelle Regeln für das Trommelfellsignal beisteuert, könnten diese als eine Art klinisches Werkzeug verwendet werden, um zu beurteilen, welcher Teil der Anatomie im Ohr nicht richtig funktioniert“, so Lovich. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2023; doi: 10.1073/pnas.2303562120

Quelle: Duke University

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Synästhesie - Das Geheimnis der „Farbenhörer“ und „Wörterschmecker“

Duft - Von der Nase ins Gehirn

Bücher zum Thema

Im Fokus: Neurowissen - Träumen, Denken, Fühlen - Rätsel Gehirn von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

150 psychologische Aha-Experimente - Beobachtungen zu unserem eigenen Erleben und Verhalten Von Serge Ciccotti

Top-Clicks der Woche