Evolution

Ur-Schildkröten doch keine „Wasserratten“

Erste Schildkröten lebten vermutlich an Land und nicht im Wasser

Vom Wasser aufs Land? Haben Torsten Scheyer und Dr. Martin Sander Recht, verlief die Entwicklung der Schildkröten genau andersherum: Die ersten Arten lebten an Land; erst später spalteten sich davon (semi-)aquatische Entwicklungslinien ab. © Dr. Thomas Mauersberg / Universität Bonn

Die ersten Schildkröten vor mehreren hundert Millionen Jahren lebten wahrscheinlich nicht im Wasser, sondern an Land. Dies fanden Forscher beim Vergleich von fossilen Schildkrötenpanzern mit denen heute lebender Tieren heraus. Bislang dachte man, die ersten Schildkröten hätten zumindest einen Teil ihres Lebens im Wasser verbracht. Doch die mehr als 200 Millionen Jahre alten Funde ähneln frappierend der massiven Knochenrüstung heutiger Landschildkröten, wie die Forscher in den Proceedings of the Royal Society berichten.

Wasserschildkröten lieben es verständlicherweise leicht: Ihr Panzer ist von zahlreichen Hohlräumen durchzogen. Der schwammartige Aufbau verleiht ihnen Auftrieb und spart Energie. „Bei fast allen heutigen Schildkröten, die sich überwiegend im Wasser aufhalten, beobachten wir diesen Trend zur Leichtbauweise“, erklärt Torsten Scheyer vom Paläontologischen Institut und Museum der Universität Zürich. „Bei ihren landlebenden Verwandten ist der Knochenpanzer dagegen kompakter; Hohlräume sind viel seltener.“

Evolution doch anders als gedacht

Der Paläontologe weiß, wovon er spricht: Für seine Studie hat er die Knochenrüstung von drei Dutzend heutigen Schildkrötenarten unter die Lupe genommen. Dazu kamen fossile Panzerreste von knapp 70 längst ausgestorbenen Arten. Verblüffendes Ergebnis: „Die 200 Millionen Jahre alten Fossilfunde ähnelten frappierend der massiven Panzerung heutiger Landschildkröten“, betont Scheyer. „Die ersten Schildkröten waren daher aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls Landbewohner.“

Das Ergebnis bringt eine alte These ins Wanken: Demnach hätten die gepanzerten Reptilien ursprünglich zumindest teilweise im Wasser gelebt. Erst später hätten einige Nachfahren den Sprung aufs Land vollzogen. Lange war diese Vorstellung unter Paläontologen allgemein akzeptiert. Bis sich vor drei Jahren die US-Wissenschaftler Dr. Walter Joyce und Dr. Jacques Gauthier die Fossilfunde genauer ansahen: Aus dem Vergleich der Vorderbeine mit denen heutiger Arten schlossen sie, die ersten Schildkröten seien eindeutig Landbewohner gewesen.

„Leider gibt es nicht allzu viele gut erhaltene Beinfunde aus dieser Zeit“, erläutert Torsten Scheyer. „Panzerfragmente sind erheblich häufiger; daher unsere Idee, uns darauf zu konzentrieren.“ Die Bonner Ergebnisse untermauern den Befund von Joyce und Gauthier eindrucksvoll – es sieht so aus, als sei die Geschichte der behäbigen Reptilien doch ganz anders verlaufen als lange gedacht.

(Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 23.05.2007 – AHE)

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