Meilenstein der Evolution: Forscher haben rekonstruiert, wann und wo die erste Eukaryotenzelle einen Chloroplasten vereinnahmte – und so die erste echte Pflanze entstand. Demnach war der Lieferant für die Ur-Chloroplasten ein Cyanobakterium, das nicht im Ozean, sondern im Süßwasser lebte. Dieses wurde vor rund 1,9 Milliarden Jahren von einer anderen Zelle verschlungen und wurde damit zum ersten Chloroplast, wie Genanalysen nun belegen.
Alle Landpflanzen und die meisten Wasserpflanzen und Algen haben eines gemeinsam: Sie sind Eukaryoten. Ihre Zellen tragen neben dem Zellkern Mitochondrien und vor allem Chloroplasten – die Organellen, in denen die Fotosynthese stattfindet. Gängiger Theorie nach entstanden diese komplexeren Zellen durch Endosymbiose – aus verschluckten Bakterien wurden Zellorganellen.
Spurensuche im Genom
Wann und wo jedoch dieser entscheidende Schritt in der Evolution der Pflanzen stattfand, ist bisher unklar. Neueste Fossilfunde deuten darauf hin, dass es vor rund 1,6 Milliarden Jahren schon verschiedene Urpflanzen gab – zu dieser Zeit lag die Endosymbiose der Chloroplasten demnach schon eine Weile zurück.
Wann dies geschehen sein könnte und wer der Lieferant für die Chloroplasten war, haben Patricia Sanchez-Baracaldo und ihre Kollegen nun mit Hilfe von DNA-Vergleichen rekonstruiert. Für ihre Studie verglichen sie zum einen das Erbgut von 49 Cyanobakterien, um so die Gruppe zu identifizieren, die als Spender der Ur-Chloroplasten in Frage kommt. Zusätzlich verglichen sie 29 Gene miteinander, die sowohl in eukaryotischen Pflanzen als auch in Cyanobakterien vorkommen.
Der Urahn aller Chloroplasten
Das Ergebnis: Der urzeitliche Lieferant für die ersten Chloroplasten war höchstwahrscheinlich eine Blaualge aus der Gattung Gloeomargarita. Diese Cyanobakterien wurden erst 21012 in einem salzhaltigen Tümpel in Mexiko entdeckt. Die neuen DNA-Vergleiche enthüllen nun, dass diese Gruppe der engste Verwandte der ersten eukaryotischen Algen gewesen sein muss.
Diese Blaulagen unterscheiden sich von allen anderen heute noch lebenden Cyanobakterien durch ein noch sehr primitives Fotosynthese-System. Bei diesem sitzen die lichtsammelnden Proteinkomplexe noch direkt an der Plasmamembran der Zelle und nicht, wie sonst üblich, auf vielfach gefalteten Thylakoidmembranen im Zellinneren.
Endosymbiose vor 1,9 Milliarden Jahren
Wie die Forscher berichten, trennten sich die Vorfahren der Gloeomargarita und die ersten Lieferanten der Chloroplasten schon vor rund 2,1 Milliarden Jahren vom Rest der Blaualgen. „Damals warn diese Cyanobakterien noch sehr klein und bewohnten wahrscheinlich noch Lebensräume mit einem geringen Salzgehalt – wie es für Süßwasser typisch ist“, so Sanchez und ihre Kollegen.
Erst 200 Millionen Jahre später jedoch – vor rund 1,9 Milliarden Jahren – fand die entscheidende Symbiose statt: Das von einer anderen Zelle aufgenommene Cyanobakterium wurde zu einem Chloroplast – und damit zu einer Komponente der ersten eukaryotischen Pflanzenzelle. Sollte sich dieser Zeitpunkt für die Endosymbiose bestätigen, hätte er rund 700 Millionen Jahre früher stattgefunden als noch im Jahr 2012 angenommen.
Süßwasser statt Ozean
Dieser wichtige Schritt zu den heutigen Pflanzen spielte sich höchstwahrscheinlich ebenfalls im Süßwasser ab – dort wo die Lieferanten für die Ur-Chloroplasten damals lebten. „Die Ergebnisse unserer Studie sprechen dafür, dass sich die ersten eukaryotischen Algen zuerst in Gewässern an Land entwickelten“, sagt Sanchez. „Erst später besiedelten sie dann auch marine Umgebungen.“ Bis dann im Ozean aus diesen Urzellen die ersten echten Rot- und Grünalgen wurden, dauerte es aber noch einmal fast eine Milliarde Jahre, wie die Forscher berichten.
„Vor der Fotosynthese war unsere Erde ein fremder Ort, für uns Menschen absolut unbewohnbar“, erklärt Koautor Davide Pisani von der University of Bristol. „Mit unserer Arbeit haben wir nun große Fortschritte gemacht um aufzuklären, wie die Erde zu dem Planeten wurde, den wir heute kennen.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2017; doi: 10.1073/pnas.1620089114)
(PNAS/ University of Bristol, 15.08.2017 – NPO)