Der Gendefekt, der für die seltene Erbkrankheit des Cockayne-Syndroms verantwortlich ist, wirkt sich auf eine der zentralen Funktionen der Zelle aus: die Transkription der Gene für ribosomale RNA. Dies haben jetzt Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums in einer neuen Studie nachgewiesen über die sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Molecular Cell berichten.
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Forscher zählen das Cockayne-Syndrom zu einer Gruppe von Erkrankungen, bei denen Defekte in einem der zahlreichen Reparatursysteme der DNA zu funktionsunfähigen Proteinen und damit zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Zu diesen Leiden zählt etwa auch Xeroderma pigmentosum oder eine Form des erblichen Darmkrebses.
Beim sehr seltenen Cockayne-Syndrom sind die Symptome jedoch besonders schwerwiegend: Zwergwuchs, geistige Behinderung, Hör- und Sehschäden gehören dazu, die Betroffenen haben einen charakteristisch geformten kleinen Kopf, sie altern und sterben früher. Das Ausmaß dieser Defekte gab Anlass zu der Vermutung, dass der gestörte DNA-Reparaturmechanismus nicht allein für all diese Beeinträchtigungen verantwortlich sein könne.
CSB an Produktion der rRNA-Moleküle beteiligt
Typisch für das Cockayne-Syndrom ist ein Defekt im Protein CSB, das die Hauptkomponente eines der DNA-Reparatursysteme ist. Forschungsergebnisse aus mehreren Arbeitsgruppen haben bereits Hinweise darauf gegeben, dass CSB darüber hinaus an der Transkription, also dem Umschreiben der DNA in RNA, beteiligt ist – der genaue Mechanismus war jedoch nicht bekannt.
In jeder Zelle sind verschiedene RNA-Typen für spezifische Aufgaben zuständig. So ist die so genannte rRNA ein wesentlicher Bestandteil der Ribosomen, der Eiweißfabriken der Zelle. Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum unter der Leitung von Professor Dr. Ingrid Grummt haben nun gezeigt, dass CSB eine entscheidende Rolle bei der Produktion dieser rRNA-Moleküle spielt.
Protein als Eisbrecher
Grundlegende Voraussetzung für das Übersetzen der DNA in RNA ist, dass die Gene, die normalerweise dicht verpackt im Chromosom vorliegen, zugänglich sind. Nur dann kann das Enzym RNA-Polymerase seine Aufgabe wahrnehmen und gemäß der Vorgabe des DNA-Codes neue RNA-Moleküle synthetisieren. Hier kommt CSB ins Spiel: Es bildet einen Adapter zwischen Polymerase und dem Protein G9a, das wie ein Eisbrecher wirkt: Es schafft der Polymerase gezielt Zugang zu bestimmten Regionen des Erbguts, indem es das Proteingerüst des Chromosoms chemisch modifiziert, so die Wissenschaftler.
Ohne funktionsfähiges CSB kommt aber die Bindung von Polymerase I und G9a nicht zustande, und die Gene für die rRNAs bleiben für die Polymerase unerreichbar. Der Mangel an rRNAs führt nach den Ergebnissen der Forscher letztendlich zum Stillstand der Proteinsynthese in der Zelle – der dramatischsten aller denkbaren Folgen für den Organismus. Diese neu entdeckte Funktion von CSB erklärt, warum ein Defekt dieses Enzyms solch tiefgreifende Folgen für den Organismus hat.
(idw – Deutsches Krebsforschungszentrum, 21.08.2007 – DLO)