Heute haben alle Vögel Schnäbel und keine Zähne. Doch das war nicht immer so: In der Kreidezeit gab es noch Vorfahren der heutigen Federtiere, die zahnbewehrte Kiefer besaßen. Jetzt haben Paläontologen einen bisher unbekannten Vertreter dieser sogenanten Enantiornithes entdeckt, der besonders interessante Beißer besaß: Furchen im Zahnschmelz machten das Gebiss äußerst robust, berichten die Forscher um Jingmai O’Connor vom Natural History Museum of Los Angeles County im „Journal of Vertebrate Paleontology“.
Das Zeitalter der Dinosaurier ist auch für seine vielen unterschiedlichen Arten von Flugsauriern bekannt. Doch sie waren nicht die einzigen Herrscher der Lüfte. In der Kreidezeit hatte die urtümliche Vogelgruppe der Enantiornithes bereits viele Arten hervorgebracht, die unterschiedliche ökologische Nischen besetzten. Abgesehen von ihren Zähnen und kleinen Krallen an den Flügelenden waren die gefiederten Luftakrobaten den modernen Vögeln schon sehr ähnlich.
Am Ende der Kreidezeit teilten allerdings alle Vertreter des bezahnten Federviehs das Schicksal der Dinosaurier und starben aus. Nur die Vorfahren der heutigen Vogelarten haben den Meteoriteneinschlag und dessen Folgen überlebt. Bei ihnen setzte sich der Schnabel durch – warum, sei ein Rätsel der Evolution, sagen die Forscher. Denn für die Enantiornithes waren die Zähne noch ein wichtiges Werkzeug: Bisherige Funde belegen, dass die verschiedenen Arten teils sehr unterschiedliche Zahnformen hervorgebracht haben, um sich ihrer jeweiligen Ernährungsweise anzupassen.
Neue Spezies mit Biss
Ein in China entdecktes Fossil fügt den bekannten Enantiornithes-Arten nun einen weiteren, spannenden Vertreter hinzu. Die Wissenschaftler tauften ihn auf den Namen Sulcavis geeorum. Der nur etwa spatzengroße Vogel lebte den Datierungen zufolge vor etwa 125 Millionen Jahren. Das besonders detailreich erhaltene Fossil offenbarte, dass seine Zähne an ihrer Innenseite Furchen und Rillen im Schmelz trugen. Bisher waren zwar unterschiedliche Zahnformen bei den Enantiornithes bekannt, aber keine derart auffälligen Strukturen im Zahnschmelz.
Es handelte sich wohl um eine Anpassung, die das Gebiss robust machte, erklären die Paläontologen. So konnte der Vogel vermutlich stark gepanzerte Insekten oder Krustentiere zerbeißen, ohne sich dabei auf Dauer das Gebiss zu beschädigen, vermuten O’Connor und seine Kollegen. Sulcavis geeorum war also wahrscheinlich ein zwar kleiner, aber bissiger Jäger.
Nach Ansicht der Forscher machen die Ergebnisse deutlich, wie vielfältig sich die unterschiedlichen Vertreter der urtümlichen Vogelwelt an ihre Lebensweise angepasst hatten. „Während die Vorfahren der heutigen Vögel ihre Zähne verloren, entwickelten die Enantiornithes viele Zahnmodelle“, sagt O’Connor. „In der Kreidezeit machte sie dies offenbar sehr erfolgreich. Wir wissen bisher nicht, warum dieses Konzept verschwand.“
(Society of Vertebrate Paleontology, 07.01.2013 – MVI)