Biochemie

Urzeit-Chloroplasten dienten noch nicht der Zuckerproduktion

Chloroplasten halfen Pflanzen ursprünglich bei der Energieproduktion

Mikroskopiebild von Pflanzenzellen samt der grünen Chloroplasten
Pflanzenzellen besitzen als Organellen sowohl Mitochondrien als auch Chloroplasten. ©alanphillips / iStock

Wandelbare Organellen: Die Chloroplasten ermöglichen es modernen Pflanzen, Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu extrahieren und in Zucker oder andere Stoffe für pflanzliche Gewebe umzuwandeln – besser bekannt als Fotosynthese. Doch das war nicht die ursprüngliche Aufgabe dieser grünen Organellen, wie Forscher nun herausgefunden haben. Demnach bestand die Hauptaufgabe der ersten Chloroplasten genau wie bei Mitochondrien darin, chemische Energie in Form von ATP für die Pflanzenzellen zu erzeugen. Erst im weiteren Verlauf der Evolution wandelte sich die Funktion der Plastiden.

In der Geschichte des Lebens kam es mehrfach vor, dass ein eukaryontisches Lebewesen ein anderes Lebewesen verschlang und dieses in seinen eigenen Organismus integrierte, um von dessen Funktionen zu profitieren. Bei diesem Endosymbiose genannten Prozess entstanden zwei wichtige Zellorganellen von tierischen und pflanzlichen Zellen: die energieerzeugenden Mitochondrien und die Fotosynthese betreibenden Plastiden, zu denen auch Chloroplasten gehören. Auch die stickstoffspeichernden Nitroplasten sind so entstanden.

Illustration des Aufbaus von Chloroplasten
Die Chloroplasten betreiben Fotosynthese und erzeugen dabei ATP. © wir0man / iStock

Universelle Energieherstellung in Organellen

Im Falle der Chloroplasten gilt ein Fotosynthese betreibendes Cyanobakterium als der endosymbiontische Vorläufer. Unklar ist jedoch, ob die erste Pflanzenzelle, die dieses Bakterium aufnahm, tatsächlich schon von dessen Fähigkeit zur Kohlenstofffixierung profitierte oder ob das Bakterium auch im Zellinneren weiterhin nur für sich selbst sorgte. Auch welche Moleküle der Endosymbiont an seine Wirtszelle abgab, ist unklar.

Denn genau wie Mitochondrien können auch Chloroplasten chemische Energie erzeugen. Bei der Zellatmung beziehungsweise beim ersten Teil der Fotosynthese produzieren die beiden Organellen das Molekül ATP, das wie ein universeller Kraftstoff die meisten biochemischen Reaktionen in lebenden Zellen antreibt. Über spezielle Transportenzyme in ihren Membranen, sogenannte Translokasen, können sowohl Mitochondrien als auch Plastiden ATP in das Zellplasma abgeben oder aus ihm herausnehmen. Die meisten Chloroplasten nutzen die Energie aus dem ATP, um damit Zucker und andere organische Moleküle zu erzeugen – Nährstoffe und Baumaterial für die Pflanzenzelle.

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Evolution der Chloroplasten nachgestellt

Ein Team um Bidhan Chandra De von der University of Illinois at Urbana-Champaign hat nun genauer untersucht, welche Rolle der urzeitliche Chloroplasten-Vorgänger für den Stoffwechsel seiner Wirtszelle gespielt haben könnte. „War es die Kohlenstoffassimilation oder die ATP-Synthese oder beides?“, erklärt Seniorautor Angad Mehta von der University of Illinois in Urbana-Champaign die Forschungsfrage.

Um das herauszufinden, stellten die Forschenden den Prozess der Endosymbiose nach und generierten künstliche Chloroplasten, indem sie Hefezellen mit gentechnisch veränderten Cyanobakterien verschmolzen. Diesen Modellorganismen für die Chloroplasten-Vorgänger hatten sie drei verschiedene Arten von ATP-Transportenzymen eingebaut: von modernen Landpflanzen oder von evolutionär älteren Rotalgen oder Glaukophyten-Algen.

Nach der Endosymbiose zwangen die Biochemiker die Hefe durch Zuckerentzug, sich für ihren Energiebedarf vollständig auf ihre neuen cyanobakteriellen Organelle zu verlassen, um Nebeneffekte auszuschließen. Dann verglichen die Biochemiker die Aktivität der unterschiedlichen Transportenzyme.

Lieferant von ATP statt Zucker

Die Experimente zeigten auffällige Unterschiede: „Die Translokasen aus den Plastiden von Rotalgen und Glaukophyten waren in der Lage, ATP aus den Organellen zu exportieren, um die Endosymbiose zu unterstützen“, berichtet Mehta. Die Transportenzyme aus Chloroplasten der Landpflanzen importierten hingegen ATP aus dem Stoffwechsel der Wirtszelle statt ATP abzugeben und deren Energiebedarf zu decken. Die Hefezellen mit diesen Plastiden überlebten daher in den Versuchen auch nicht lange.

Diese Unterschiede deuten darauf hin, dass die urzeitlichen Chloroplasten einst eine andere Funktion besaßen als ihre modernen Nachfolger: Ihre Fotosynthese diente noch nicht dem Aufbau von organischen Molekülen, sondern lieferte Energie in Form von ATP. Die Ergebnisse sind zwar noch kein endgültiger Beweis für einen solchen Funktionswandel der Chloroplasten, stützen aber die Annahme, „dass die anfängliche Interaktion zwischen dem Endosymbionten und der Zelle auf der ATP-Produktion und der ATP-Versorgung basierte“, sagt Mehta.

Einblick in die Evolution der Pflanzenorganellen

Erst später in ihrer Evolution veränderten sich die Chloroplasten dann dahingehend, dass sie ihr ATP lieber selbst nutzten und nicht mehr teilten, wie die Versuche mit Landpflanzen-Enzymen belegen. Die Chloroplasten der modernen Pflanzen verwenden demnach die mittels Fotosynthese gewonnenen Energie, um organische Moleküle wie Zucker für den Zellstoffwechsel der Pflanzen zu produzieren. Um den Energiebedarf dieser chemischen Synthesen zu decken, importieren sie heute sogar zusätzliches ATP aus den Mitochondrien ihrer Wirtszelle, schlussfolgert das Team.

Die Biochemiker vermuten, dass ein sauerstoffreicherer Lebensraum diesen Funktionswandel der Zellorganellen angetrieben hat: „Dies ermöglichte es den Mitochondrien, sich auf die ATP-Synthese zu spezialisieren, und den Chloroplasten, sich auf die Kohlenstoffassimilation zu konzentrieren“. (Nature Communications, 2024; doi: 10.1038/s41467-024-54051-1)

Quelle: University of Illinois at Urbana-Champaign

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