Nur 28 Prozent aller Highschool-Lehrer in den USA unterrichten Evolution im Biologieunterricht auf akzeptable Weise. Die große Mehrheit jedoch versucht, Kontroversen mit Kreationisten zu vermeiden und lehrt entweder beides oder nur einen begrenzten Teil der Evolutionsbiologie. Das zeigt eine jetzt in „Science“ veröffentlichte Studie an knapp tausend Biologielehrern. Neben den 13 Prozent der expliziten Kreationisten sehen die Forscher besonders in dieser großen Mehrheit die Ursache für die abnehmende wissenschaftliche Bildung in den USA.
Vor gut fünf Jahren richtete sich die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf einen Gerichtsaal im amerikanischen Harrisburg in Pensylvania. In dem Verfahren klagten elf Elternpaare gegen den örtlichen Schulrat, der explizit das Lehren von Kreationismus und „intelligent Design“ in den Schulen des Bezirks legitimierte. Das Gericht entschied gegen den Schulrat mit der Begründung, intelligent Design sei keine Wissenschaft sondern eine Frage der Religion. In den letzten 40 Jahren haben Kreationisten in den USA jeden größeren Prozess zum Thema Kreationismus im Biologieunterricht verloren – doch das tut dem Siegeszug der Anti-Evolutionsvertreter keinen Abbruch.
Studie an 926 US-Biologielehrern
„Forschungen deuten darauf hin, dass Vertreter der Evolution, wissenschaftliche Methodik und die Vernunft in den Klassenräumen Amerikas auf dem Rückzug sind“, erklären Michael B. Berkman und Eric Plutzer von der Pennsylvania State Universität. „Der Unterricht in evolutionärer Biologie ist oberflächlich, von Fehlinformationen durchsetzt und teilweise schlicht abwesend.“Das Ausmaß dieser Niederlage haben die beiden Wissenschaftler nun mit Hilfe von Daten desNational Survey of High School Biology Teachers überprüft. In dieser repräsentativen Erhebung an 926 Biologielehrern wurde unter anderem erfragt, inwieweit die Lehrer den Vorgaben des Lehrplans und den Empfehlungen des National Research Council folgen.
Evolution bei nur 28 Prozent adäquat vermittelt
Das Ergebnis: Nur 28 Prozent der Biologielehrer unterrichten die Evolutionstheorie wie vorgegeben und geben eine fundierte Einführung in die Entwicklungsgeschichte. 13 Prozent der Biologielehrer dagegen lehren explizit den Kreationismus oder Intelligent Design als biologische Tatsache und präsentieren diese Inhalte ihren Schülern in positivem Licht.
„Die Forschheit und das Selbstvertrauen dieser Minderheit sollte nicht unterschätzt werden“, erklären Berkman und Plutzer. „Einige Befürworter des Kreationismus bestanden darauf, dass sie – nicht die Laborwissenschaftler – diejenigen seien, die echte Wissenschaft praktizierten. Andere wiesen die Möglichkeit zurück, dass wissenschaftliche Methoden Licht auf die Entstehung der Arten werfen können.“
60 Prozent wollen Kontroverse vermeiden
Die restlichen 60 Prozent der Lehrer bezeichnen Berkman und Plutzer als die „vorsichtigen 60 Prozent“. Sie sind weder eifrige Befürworter des Kreationismus noch für die Evolution. „Unsere Daten zeigen, dass diese Lehrer eine Kontroverse vermeiden wollen“, so die Forscher. Typischerweise versuchen diese Biologielehrer dies mit Hilfe von drei unterschiedlichen Strategien, wie die Wissenschaftler herausfanden.
Einige unterrichten evolutionäre Biologie zwar, aber beziehen sie nur auf das Gebiet der Molekularbiologie, die grundlegende Bedeutung der Evolutionstheorie für die Vielfalt der Arten und vieler biologischer Phänomene unterschlagen sie. Eine zweite Strategie der Vermeidung besteht darin, Evolution als notwendiges Übel zu lehren und sich von den Inhalten zu distanzieren – als formales Wissen, das allein für die staatlichenPrüfungen nötig ist. „Diese Lehrer sagen ihren Schülern, dass es nicht wichtig ist, ob sie an die Evolution glauben, solange sie bei den Tests die richtigen Antworten geben“, beschreibt Berkman.
„Sowohl als auch“-Unterricht verzerrt wissenschaftliche Realität
Eine dritte sehr weit verbreitete Strategie besteht darin, sowohl Evolution als auch Kreationismus zu unterrichten und es den Schülern zu überlassen, sich ihre Meinung zu bilden. Der Unterschied zwischen wissenschaftlich abgesicherten Fakten undreligiös geprägten Informationen wird meist nicht vermittelt. „Aber kann ein 15-jähriger Schüler wirklich genügend Information haben, um die Tausenden durch Peer-Review geprüften wissenschaftlichen Studien zu verwerfen?“, fragen die Autoren. „Dieser Ansatz unterlässt es, das Wesen wissenschaftlicher Forschung zu erklären, unterminiert die Autoritätetablierter Experten und legitimiert kreationistische Argumente.“
Damit, so die Autoren, könnten diese 60 Prozent eine weitaus wichtigere Rolle für die Behinderung wissenschaftlicher Bildung in den USAspielen als die kleinere Zahl der expliziten Kreationisten. Um so mehr, als dass Biologie für rund ein Viertel der Highschool-Schüler der einzige naturwissenschaftliche Kurs ist, den sie in ihrer Schullaufbahn überhaupt belegen.
Bessere Lehrerausbildung als Chance
Die einzige Chance, aus dieser Misere herauszukommen, sehen die Forscher in einer besseren Schulung der Lehramtsstudenten. Sie könne den Unentschiedenen helfen, selbstbewusster zu argumentieren und auch dem Druck durch Eltern oder die Umgebung besser entgegentreten zu können. Bisher ist im Rahmen der Lehrerausbildung ein Kurs in Evolutionsbiologie nicht zwingend vorgeschrieben. „Kombiniert mit dem anhaltenden Erfolg in Gerichtssälen und den Hallen des State Government, ist dieser Ansatz unsere beste Chance, die wissenschaftliche Bildung der kommenden Generationen zu verbessern,“ so die Forscher in ihrem Fazit.
(Penn State / Science, 28.01.2011 – NPO)