Eine verlorene Welt: Bevor die Beuteltiere in Australien die Herrschaft übernahmen, könnte es ein Zeitalter der Kloakentiere gegeben haben, wie Biologen herausgefunden haben. Von dieser urtümlichen Tiergruppe sind heute nur noch Schnabeltier und Ameisenigel übrig geblieben. Indizien für die einstige Blütezeit der Kloakentiere liefern drei neue fossile Arten aus Ostaustralien. Sie bilden teilweise bizarre Mischformen aus den heutigen Spezies.
Ob Koala, Känguru oder Wombat: Australien ist ein Land der Beuteltiere. Doch in ihrem Schatten leben noch weitere bizarre Kreaturen wie das Schnabeltier und der Ameisenigel. Sie sind die letzten überlebenden Vertreter der sogenannten Kloakentiere und legen als einzige Säugetiere Eier. Über ihre evolutionäre Vergangenheit war bislang allerdings nur wenig bekannt.
Zuwachs für Familie Schnabeltier
Das älteste Fossil eines Kloakentieres stammt aus der frühen Kreidezeit vor 130 Millionen Jahren. Zwischen diesem Urahn und den heutigen Vertretern müssen zweifellos viele verschiedene Arten existiert haben, doch mangels Fossilien kennen wir nur wenige davon. Unter ihnen war ein Tier von der Größe eines kleinen Schweines und eines, das ähnlich wie moderne Otter gelebt haben könnte.
Doch nun ist die Familie der Kloakentiere, auch Monotremata genannt, auf einen Schlag um gleich drei neue Mitglieder reicher geworden. Biologen um Timothy Flannery vom Australian Museum haben die neuen Arten anhand von fossilen Kieferknochen im Archiv des Museums identifiziert, wo die Relikte seit über 20 Jahren lagerten.
Die erste der drei neuentdeckten Arten trägt den Namen Opalios splendens und dürfte vom Körperbau her einem modernen Schnabeltier geähnelt haben, wie das Team berichtet. Der Kiefer und die Schnauze dieser Spezies erinnern hingegen stark an moderne Ameisenigel, weshalb Flannery und seine Kollegen dem Tier den Spitznamen „Schnabeltierigel“ (auf Englisch „Echidnapus“) gegeben haben. An seiner Seite lebten einst das ähnlich gebaute, aber um ein Drittel kleinere Dharragarra aurora sowie Parvopalus clytiei – ein terrestrisches Kloakentier von der Größe einer modernen Beutelmaus, so die Biologen.
„Eine ganz neue Zivilisation“
Die Fossilien der Neuzugänge stammen ursprünglich aus den Opalfeldern bei Lightning Ridge im Osten Australiens. Von dieser Stelle sind bereits drei weitere Arten ausgestorbener Kloakentiere bekannt, die dort in der mittleren Kreidezeit vor 102 bis 97 Millionen Jahren zeitgleich mit den neu entdeckten Spezies lebten. „Es scheint, dass es vor 100 Millionen Jahren am Lightning Ridge mehr Monotremata gab als irgendwo sonst auf der Erde, ob in der Vergangenheit oder in der Gegenwart“, sagt Koautorin Elizabeth Smith vom Australian Opal Centre.
Diese unerwartet große Vielfalt an Kloakentieren im Osten Australien befeuert die Vorstellung, dass die Tiergruppe einst viel bedeutender war als heute: „Heute ist Australien als Land der Beuteltiere bekannt, aber die Entdeckung dieser neuen Fossilien ist der erste Hinweis darauf, dass Australien früher eine Vielfalt an Monotremata beheimatet hat. Das ist wie die Entdeckung einer ganz neuen Zivilisation“, ergänzt Flannery. Er spricht sogar von einer möglichen Ära der Kloakentiere während der Kreidezeit.
Das Rätsel der Zahnlosigkeit
Die neuen Funde helfen auch dabei, die Evolution der Kloakentiere besser nachzuvollziehen. Besonders rätselhaft ist zum Beispiel nach wie vor, warum Schnabeltier und Co. im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte alle Zähne verloren haben. Da die drei neuen Spezies aus Lightning Ridge aber noch jeweils drei bis fünf Backenzähne besitzen, muss der Grund für diese Rückbildung erst irgendwann nach ihrer Zeit aufgetreten sein, schlussfolgert das Team.
„Möglicherweise war es der Konkurrenzkampf mit der australischen Wasserratte, die erst in den letzten zwei Millionen Jahren nach Australien kam, der die Schnabeltiere dazu veranlasste, weichere, glitschigere Nahrung zu suchen“, vermutet Flannery. Und diese neue Nahrungsquelle erforderte weder Kauen noch Zähne. (Alcheringa: An Australasian Journal of Palaeontology, 2024; doi: 10.1080/03115518.2024.2348753)
Quelle: Taylor & Francis Group